1901 -
Neuwied [u.a.]
: Heuser
- Autor: Wagner, Georg, Schneider, Karl Theodor
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Niedere Lehranstalten
- Schulformen (OPAC): Einklassige Volksschule, Zweiklassige Volksschule
- Regionen (OPAC): Schleswig-Holstein
- Inhalt Raum/Thema: Realienkunde
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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V. Geistliche und kirchengeschichtliche Stoffe.
In einer Hütte wohnt eine arme Frau, die schwer krank ist. Keiner
pflegt sie, und keiner speist ihre Seele, und sie ist ganz verzagt. Da kommt
jemand zu ihr, etwa die Nachbarin, die bringt ihr stärkende Nahrung und
Arzenei. Sie setzt sich an ihr Bett, spricht ihr Trost ein, betet mit ihr,
thut es alle Tage, und die kranke Frau gesundet an Leib und Seele; denn
der Herr Christus hat ihr eine Freundin geschickt. Diese Freundin treibt
innere Mission.
Dort ist ein anderes Haus, — du kennst es schon — wo Armut und
bittere Not und dazu noch Unfriede zwischen Mann und Frau, zwischen Eltern
und Kindern herrschen. In das Haus geht einer, der Pastor oder ein anderer,
und lehrt Eltern und Kinder die Gebote Gottes und ermahnt sie in Ernst
und Liebe und bringt die Kinder in die Schule und schafft dem Manne
Arbeit und lehrt ihn, wie er's anfangen soll, um an seinem Verdienste zu
sparen. Er bleibt manchmal eine Abendstunde bei ihnen, wenn der Mann
von der Arbeit kommt, und spricht mit allen ein freundlich Wort, daß sie
wieder Freude bekommen an einander, daß ins Haus Friede einkehrt, daß sie
wieder in die Kirche gehen und zum heiligen Abendmahle. So wird aus
der Stätte des Unfriedens ein gesegnetes Christenhaus — und das thut
die innere Mission.
Willst du noch mehr hören? Hier laufen Bettelkinder umher, die im
Elend umkommen, dort andere, die in Gottlosigkeit versunken sind, und nie-
mand hilft ihnen. Die Christenliebe aber sammelt die Unglücklichen und
baut ihnen Häuser und erzieht sie in Gottesfurcht und pflanzt das Evangelium
unterste, daß sie zu neuen Menschen werden. Das ist die innere Mission.
Zahlreich sind die Werke der innern Mission. Wollte man eine Über-
sicht auch nur der bedeutendsten Anstalten christlicher Liebesthätigkeit geben, so
müßte man ganze Bogen füllen. Die innere Mission leistet Hilfsarbeit für
die Familie, für die Kirche und für den Staat.
In den Krippen und Kleinkinderschulen werden noch nicht schulpflichtige
Kinder erzogen; die Arbeitsschulen beschäftigen Schüler in schulfreier Zeit
und bewahren sie vor Müßiggang; die Lehrlingsheime, Jünglingsvereine,
Marthastifte nehmen sich der erwachsenen Jugend an: Trinkerasyle suchen
den Branntweinsäufer abzubringen von seinem bösen Wege. Stadtmissionare
suchen einzelne Familien auf, um leibliche und geistliche Not zu lindern; die
Sonntagsschulen, Vereine für Sonntagsheiligung, für Bibelverbreitung, die
Gustav Adolf-Vereine u. a. dienen der Kirche. Täglich neu und täglich groß
ist die Arbeit an Gefangenen, Waisen, Verwahrlosten, Kranken und Armen.
Kein Christ, kein Mensch, der die Brüder liebt, darf sich diesen Ltebes-
werken entziehen. Hilfst du deinen armen, unglücklichen Brüdern und
Schwestern in heiliger Liebe aus ihrer Not, dann treibst du wahrhaftigen
Gottesdienst, d. h. 'innere Mission. Aus der Ev. Kirchenmung.