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1. Die weite Welt - S. 103

1905 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
103 es nicht herauszusteigen; Speise und Trank musste man ihm an den Wagen bringen; denn dem Wirt war gesagt, dass der „Bürger“ am Sterben sei. Nur mit dem Sterben konnte er sein Leben schützen. Wie grausam klang dies an sein Ohr, das nur das Flüstern der vornehmen Gesellschaft und nur den Lärm des Hofes gewohnt war, wenn jetzt aus jeder Dorfschenke die wüsten Stim- men des Aufruhrs ihm entgegenhallten! Denn jedes Haus war eine Republik geworden; jeder Hahn im Dorf krähte égalité! (Gleichheit!). „Nur schnell!“ sprach der kranke Mann, so oft ein neuer Postillon auf den Wagen stieg, und zeigte ihm ein Goldstück, bis er die Hengste in wilder Flucht über die steinigen Strassen trieb. In tiefer Nacht fuhren sie über die Grenze von Frankreich, und als der Morgen graute, standen sie auf deutscher Erde. Es war ein Herbstmorgen blau und klar, von den Bäumen wehte das letzte Laub — hier sollten sie die letzten Tage ihres Lebens verbringen. In Deutschland war es noch stille; wie ein schwerer Schlummer lag die Ruhe über dem Land. Und auf dem fran- zösischen Wagen sais ein deutscher Postillon und blies. Sie hatten das Lied noch nie gehört, der Marquis und die Marquise, aber sie verstanden es doch; denn das deutsche Lied bedeutet Friede! Karl Stieler. 51. Das Schloss Boncourt, 1. Ich träum als Kind mich zurücke und schüttle mein greises Haupt; wie sucht ihr mich heim, ihr Bilder, die lang ich vergessen geglaubt! 2. Hoch ragt aus schatt’gen Gehegen ein schimmerndes Schloss hervor; ich kenne die Türme, die Zinnen, die steinerne Brücke, das Tor. 3. Es schauen vom Wappenschilde die Löwen so traulich mich an; ich grüsse die alten Bekannten und eile den Burghof hinan. 4. Dort liegt die Sphinx am Brunnen, dort grünt der Feigenbaum, dort hinter diesen Fenstern verträumt’ ich den ersten Traum. 5. Ich tret in die Burgkapelle und suche des Ahnherrn Grab; dort ist’s, dort hängt vom Pfeiler das alte Gewaffen herab. 6. Noch lesen umflort die Augen die Züge der Inschrift nicht, wie hell durch die bunten Scheiben das Licht darüber auch bricht. 7. So stehst du, o Schloss meiner Väter, mir treu und fest in dem Sinn und bist von der Erde verschwunden, der Pflug geht über dich hin. 8. Sei fruchtbar, o teurer Boden, ich segne dich mild und gerührt und segn’ ihn zwiefach, wer immer den Pflug nun über dich führt. 9. Ich aber will auf mich raffen, mein Saitenspiel in der Hand, die Weiten der Erde durchschweifen und singen von Land zu Land. Adelbert y. Chamisso.
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