1905 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Lange, Karl, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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La Belle-Alliance zum Ziele nehmend, drangen Preußen und Eng-
länder unaufhaltsam vorwärts. Die Franzosen sahen sich von allen
Seiten angegriffen, und mit dem Rufe: „Rette sich, wer kann!" er-
gossen sie sich in wilder Verwirrung in die Flucht. Napoleon hielt
in dem letzten Viereck seiner Garden, mit starren Blicken den Greuel
der Vernichtung betrachtend. Einer seiner Marschälle ergriff den
Zügel des kaiserlichen Pferdes und riß seinen Gebieter, der den Tod
suchte, mit Gewalt fort. Bei Belle-Alliance, „dem schönen Bunde",
trafen sich die siegreichen Feldherrn Blücher und Wellington.
Den müden Preußen verblieb nun das saure, aber lustige Stück
Arbeit der Verfolgung. Hei, da ging's den tapfern Gneisenau an
der Spitze, unter dem Klange der Flügelhörner lustig in die Nacht
hinein. Bald erbeuteten die Unsern den Reisewagen Napoleons. Er
selbst hatte sich bei dem Geschrei: „Die Preußen kommen!" kaum
zum Schlage hinaus retten können und seinen Hut und Degen im
Stiche lassen müssen. In den Dörfern, im hohen Korne wurden die
todmüden Franzosen durch den Schall der Hörner, das Wirbeln der
Trommeln und das Knallen des Kleingewehrseuers aufgejagt. Hell
stand der Vollmond am Himmel, als wollte er den tapferen Preußen
leuchten. Aber immer dünner wurde die Schar der verfolgenden
Truppen. Zuletzt waren nur noch einige Reiter und ein paar Füsilier-
kompanien übrig geblieben. Einen unermüdlichen Trommler setzte
man in froher Siegeslaune auf eins der von Napoleons Wagen ge-
nommenen Kutschpferde; der mußte fortwährend die Trommel rühren,
und diese Handvoll Leute, dieser eine Tambour jagten jetzt die Neste
des fliehenden Heeres vor sich her, wie der Wind die fallenden Blätter.
Noch in derselben Nacht schrieb Blücher an den Fürsten Schwarzen-
berg: „Der herrlichste Sieg ist erfochten. Ausführliches wird folgen.
Ich denke, die Bonapartische Geschichte ist nun vorbei. Ich kann
nicht mehr schreiben, denn ich zittere an allen Gliedern. Die An-
strengung war zu groß." Und in der nämlichen Nacht richtete er
folgende schriftliche Ansprache an die Armee: „Ihr habt gezeigt, daß
tapfere Krieger wohl überwunden, aber ihr Mut nicht gebeugt werden
kann. Empfangt meinen Dank, ihr unübertrefflichen Soldaten! Ihr
habt euch einen großen Namen gemacht. Nie wird Preußen unter-
gehen, wenn eure Söhne und Enkel euch gleichen." — Und die Bona-
partische Geschichte war nun wirklich aus. Auf St. Helenas einsamem
Felsen hat der Gewaltige geendet, der einst die Welt mit seinem
Machtgebote beherrschte. Arndt.
69. Lied des Alten im Bart.
1. Durch tiefe Nacht ein Brausen zieht
und beugt die knospenden Reiser,
im Winde klingt ein altes Lied,
das Lied vom deutschen Kaiser.