1905 -
Leipzig [u.a.]
: Klinkhardt
- Autor: Lange, Karl, Jütting, Wübbe Ulrich, Weber, Hugo
- Sammlung: Realienbuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 2 – Sekundarstufe 1, Klassen 5/6/7 – 8/9/10
- Regionen (OPAC): Sachsen
- Inhalt Raum/Thema: Weltkunde
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
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Sohn war, glaubten die Mitschüler ihn um so mehr ducken zu müssen.
Das hat den artigen, offenen Knaben oft gekränkt und entrüstet —
war er doch nichts weniger als stolz oder einer, der was Besseres
sein wollte als die andern — und er bekam großes Heimweh. Wenn
er z. B. beim Spazierengehen einen Knecht auf dem Felde Pflügen
sah, mußte er weinen.
Dennoch hielt er sich tapfer und wußte sich sehr bald bei seinen
Mitschülern in Respekt zu setzen. So hatte er sich z. B. gegen sie
zur Wehr gesetzt, als sie ihn als „Neuen" in herkömmlicher Weise
„einweihen" wollten. Diesen Widerstand vergaßen sie ihm nicht und
dachten: „Wart nur! wenn die Badezeit anfängt, wollen wir dir's
schon heimzahlen!" Wer sich nämlich beim Baden vor dem Wasser
fürchtete, der wurde von dem Lehrer einfach kopfüber hineingeworfen
und von seinen Mitschülern so lange untergetaucht, bis er von der
„Wasserscheu" geheilt war. Alle freuten sich schon auf den Augen-
blick, wo Otto von Bismarck seine Taufe im Schafgraben erhalten
sollte; denn das setzte man als gewiß voraus, daß solch ein junges
Bürschchen die Wasserscheu habe. Alle standen schon bereit, um beim
Untertauchen gründlich zu helfen — siehe, da tritt Otto von Bis-
marck mit der größten Kaltblütigkeit an den Rand des Grabens,
stürzt sich hinein, taucht unter und kommt erst am jenseitigen Ufer
wieder zum Vorschein. Ein allgemeines „Ah!" folgte dieser Über-
raschung. Keiner aber wagte es jetzt, den kühnen Taucher nur zu
berühren. Bald war Otto von Bismarck einer der Tüchtigsten im
Schwimmen und Fechten und der angesehene und allbeliebte An-
führer beim Schneebällen, Kriegspielen u. s. w.
Aber auch beim Lernen sahen alle mit Bewunderung zu ihm
auf. Besonders in der Weltgeschichte wußte er wie keiner Bescheid.
Im Garten hinter dem Hause stand ein großer Lindenbaum, auf
welchen die Knaben in den Freistunden hinaufklettern durften. Wenn
es was Wichtiges mitzuteilen oder zu beraten gab, hieß es: „Nach
der Linde!" Den Ehrenplatz auf dem Baume nahm Otto von Bis-
marck ein; um ihn her oder, unter ihm die andern. Da saß er denn
oft zwischen den schattigen Ästen auf seinem luftigen Thron und las
ihnen aus der Weltgeschichte vor, am liebsten von den griechischen
Helden Ajax und Achilles und Odysseus im trojanischen Krieg aus
Beckers „Erzählungen aus der alten Welt"; das Buch wußte er
beinahe ganz auswendig. Er selber hieß bei seinen Kameraden „Ajax".
In seinem zwölften Lebensjahr kam Otto aufs Friedrich Wilhelms-
Gymnasium, wo er in die Untertertia aufgenommen wurde, während
Bernd bereits Sekundaner war. Er wohnte nun mit seinem Bruder
zusammen in der Wohnung, die seine Eltern in Berlin hatten. Zum
Winter pflegten diese selber nach Berlin überzusiedeln; im Sommer
aber sorgte „Trine Neumann", die treue Köchin, mütterlich für die
beiden jungen Herren. Noch vor wenigen Jahren erzählte der Reichs-
kanzler in scherzender und doch dankbarer Erinnerung: „Trine Neu