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1. Die weite Welt - S. 135

1905 - Leipzig [u.a.] : Klinkhardt
135 Sohn war, glaubten die Mitschüler ihn um so mehr ducken zu müssen. Das hat den artigen, offenen Knaben oft gekränkt und entrüstet — war er doch nichts weniger als stolz oder einer, der was Besseres sein wollte als die andern — und er bekam großes Heimweh. Wenn er z. B. beim Spazierengehen einen Knecht auf dem Felde Pflügen sah, mußte er weinen. Dennoch hielt er sich tapfer und wußte sich sehr bald bei seinen Mitschülern in Respekt zu setzen. So hatte er sich z. B. gegen sie zur Wehr gesetzt, als sie ihn als „Neuen" in herkömmlicher Weise „einweihen" wollten. Diesen Widerstand vergaßen sie ihm nicht und dachten: „Wart nur! wenn die Badezeit anfängt, wollen wir dir's schon heimzahlen!" Wer sich nämlich beim Baden vor dem Wasser fürchtete, der wurde von dem Lehrer einfach kopfüber hineingeworfen und von seinen Mitschülern so lange untergetaucht, bis er von der „Wasserscheu" geheilt war. Alle freuten sich schon auf den Augen- blick, wo Otto von Bismarck seine Taufe im Schafgraben erhalten sollte; denn das setzte man als gewiß voraus, daß solch ein junges Bürschchen die Wasserscheu habe. Alle standen schon bereit, um beim Untertauchen gründlich zu helfen — siehe, da tritt Otto von Bis- marck mit der größten Kaltblütigkeit an den Rand des Grabens, stürzt sich hinein, taucht unter und kommt erst am jenseitigen Ufer wieder zum Vorschein. Ein allgemeines „Ah!" folgte dieser Über- raschung. Keiner aber wagte es jetzt, den kühnen Taucher nur zu berühren. Bald war Otto von Bismarck einer der Tüchtigsten im Schwimmen und Fechten und der angesehene und allbeliebte An- führer beim Schneebällen, Kriegspielen u. s. w. Aber auch beim Lernen sahen alle mit Bewunderung zu ihm auf. Besonders in der Weltgeschichte wußte er wie keiner Bescheid. Im Garten hinter dem Hause stand ein großer Lindenbaum, auf welchen die Knaben in den Freistunden hinaufklettern durften. Wenn es was Wichtiges mitzuteilen oder zu beraten gab, hieß es: „Nach der Linde!" Den Ehrenplatz auf dem Baume nahm Otto von Bis- marck ein; um ihn her oder, unter ihm die andern. Da saß er denn oft zwischen den schattigen Ästen auf seinem luftigen Thron und las ihnen aus der Weltgeschichte vor, am liebsten von den griechischen Helden Ajax und Achilles und Odysseus im trojanischen Krieg aus Beckers „Erzählungen aus der alten Welt"; das Buch wußte er beinahe ganz auswendig. Er selber hieß bei seinen Kameraden „Ajax". In seinem zwölften Lebensjahr kam Otto aufs Friedrich Wilhelms- Gymnasium, wo er in die Untertertia aufgenommen wurde, während Bernd bereits Sekundaner war. Er wohnte nun mit seinem Bruder zusammen in der Wohnung, die seine Eltern in Berlin hatten. Zum Winter pflegten diese selber nach Berlin überzusiedeln; im Sommer aber sorgte „Trine Neumann", die treue Köchin, mütterlich für die beiden jungen Herren. Noch vor wenigen Jahren erzählte der Reichs- kanzler in scherzender und doch dankbarer Erinnerung: „Trine Neu
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