Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Prosalesebuch für Prima - S. 315

1909 - Leipzig [u.a.] : Ehlermann
H. Hettner: Klopstocks literarhistorische Bedeutung. 315 hatten keine Einsicht in diese Gebrechen. Einzig der junge Lessing zeigte durch seine Kritik der ersten sechzehn Verse, daß er das Ge- staltlose und gleißend Empsindelnde des allbewunderten Gedichts völlig durchschaue. Gleichzeitig mit den ersten Gesängen des Messias verbreiteten sich Klopstocks erste Oden. Sie waren ganz dazu angetan, den gün- stigen Eindruck von Klopstocks erstem Auftreten noch bedeutend zu steigern. Der Inhalt sowie die Form waren von derselben Richtung und Stimmung getragen, welche den Dichter in der Wahl des Stoffs und der Form der Messiade geleitet hatte. Wie ihm dort die religiöse Begeisterung der Ausdruck seines innersten Gefühls- lebens war, so ist auch die Poesie dieser Oden wieder eigenstes Er- lebnis; sogar so sehr, daß das bloß Augenblickliche, Zufällige, aus- schließlich Persönliche falscher Gelegenheitsdichtung nicht immer zu allgemein menschlicher Bedeutung geklärt ist. Wir treten heraus aus der faden Nichtigkeit der verlogenen Anakreontik; wir hören überall den gesunden Herzschlag einer.reinen und edlen Persönlich- keit, welche voll und ganz für ihre Dichtung einsteht, weil sie nur singt, was sie empfindet. Schlagen diese Oden einmal die Saite Anakreons an, wie z. B. „Das Rosenband" und „Ihr Schlummer", da ist die Empfindung von seelenvoller Zartheit, Reinheit- und Un- schuld; am liebsten aber und am ergreifendsten singen sie von dem Schmerz seiner unglücklichen Liebe zu Fanny, „von den unermeß- lichen durchweinten Stunden, da die nicht hört, der mein Herz schon lange geweint hat", von der Hoheit der Freundschaft, von schwärme- rischer Naturempfindung, von Gott und Unsterblichkeit und, was seit langer Zeit in Deutschland nicht mehr gehört worden, von der glut- vollen und tapferen Liebe zum Vaterlande. Und wie im Messias, so betätigte sich auch in diesen Oden dasselbe Streben nach idealer Form, nach der Würde und Gemessenheit des großen Stils. Was für die Messiade der Hexameter Homers und Virgils war, war für die Oden Horaz mit seinen Versmaßen. Seit Klopstock schlug in der deutschen Lyrik diese Horazische Odendichtung immer tiefere Wurzeln. . Sicher sind diese ersten Oden Klopstocks seine kräftigsten und vollendetsten Leistungen. Es ist zwar auch hier viel unreife Über- schwenglichkeit, mehr ein Schwelgen in der Vorstellung erhabener Gedanken und Gefühle als ein unbefangenes Aufgehen in diesen Ge- danken und Gefühlen selbst. Es fehlt nicht an gespreizter Gelehr- samkeit in verzwickten Wendungen und gewaltsamen Wortbildungen; die strophische Rhythmik entfernt sich oft aufs störendste von der logischen. Aber diese Mängel verschwinden gegen die Frische und
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer