1908 -
Berlin
: Grote
- Autor: Muff, Christian, Hopf, Jacob, Paulsiek, Karl
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1895
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
- Geschlecht (WdK): Jungen
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von Wilamowitz: Der Zeus von Olympia.
reicheren Ergebnissen von den Franzosen aufgedeckt worden sind. An einem
Heiligtum ist die Hauptsache der Gott, der es bewohnt, oder anders aus-
gedrückt, der Glaube, der es heiligt. Den zu erfassen braucht man viele
Arbeit, stille Einkehr in das Wesen der Religion überhaupt, weite Umschau
über die Formen des Gottempfindens und des Gottesdienstes, die gerade
bei den Hellenen in tausend bunten Metamorphosen das eine ewige Gefühl
variieren, der Menschenseele Sehnsucht nach dem ewigen Licht. Dazu ge-
hört wohl manche Forschung, die nur am Studiertisch gemacht werden kann,
einerlei wo er stehe; aber wenn ein Gott an eine Stätte gebunden ist,
dann muß man ihn bei sich aussuchen, wenn man ihn fassen will; dieser
Gott hat sich den Menschen offenbart, die an diesem bestimmten Orte
saßen. Dieser Himmel, diese Erde, dieser Berg und Busch und Bach,
das Element, das ewig wechselnde, zeugt in seiner Stetigkeit auch uns
noch von dem Geiste, dessen Rauschen in der Natur vor Jahrtausenden
suchenden Menschenseelen Staunen und Schauder weckte, Hoffen und
Frieden brachte.
Olympia liegt in einer Landschaft, die uns wenig südlich
anmutet. Der Alpheios ist ein stattlicher Fluß, der dem Westmeer zu-
strebt und dort von Norden einen bei jedem Regen reißend anschwellen-
den Bergbach aufnimmt. Die Landspitze dieses Zusammenflusses ist das
heilige, „olympische" Land. Die Gewässer haben kein festes Bett,
sondern wühlen es sich in dem weiten, weichen Alluvialgrunde, wenn
der Mensch ihnen nicht die Wege weist. Eine Zeitlang im frühen Mittel-
alter sind sie über das Heiligtum geflossen; ihr Sand hat den Hermes in
sorglichem Grabe gebettet, bis unser Spaten ihn zu neuem Leben weckte.
Die Heiligung dieses Ortes hat ihren Ausgang von einem runden, nicht
eben hohen Hügel genommen, dem letzten der Hügelfolge des nördlichen
Ufers, den man den Kronoshügel nannte. Er ist noch jetzt fast undurch-
dringlich dicht mit meist immergrünem Gebüsche bestanden, das sich im Früh-
jahre mit bunten Blüten deckt. Schaut man von ihm nach Süden und
Westen, so dehnt sich welliges, buschbewachsenes Gelände weithin; keine
charakteristischen Berglinien säumen den Horizont. Des Meeres Nähe wird
nicht gespürt; seine Küste ist hafenlos und unwirtlich: von da ist keine
Kultur hierher gelangt. Arkadiens Bergland, aus dem der Fluß komnit,
und zu dem Olympia als ein Grenzposten von Natur gehört, wird im
Osten sichtbar; aber es hat von dieser Seite nichts Imposantes. Vor drei
Jahrtausenden wird der Wald stattlicher, die Wildnis rauher, die Vegetativa
nordischer gewesen sein. Aber auch heute ist die Landschaft grün, und
Feuchtigkeit schwängert die Luft; Menschenarbeit zeigt sich wenig. Das
linke Flußufer enthält weite Strecken, die besser zu Jagdgründen als zu