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1. Abt. 8 = Für Prima - S. 317

1908 - Berlin : Grote
Warnecke: Die Baustile. 317 Absätzen; unten sind sie massiger gebildet, oben, wo sie über die Dächer der Seitenschiffe frei in die Höhe steigen, sind sie reicher gegliedert und mit kleinen Türmchen, sogenannten Fialen, bekrönt, die Kreuzblume und Krabben tragen. Dieselbe Verzierung sieht man an den Wimpergen, den zweischenk- ligen Spitzgiebeln, die als Bekrönung der Portale und Oberfenster dienen. Überall wird die senkrechte Linienführung scharf betont, die wagerechte fast verleugnet; je weiter nach oben, desto mehr wird die schwere Masse des Steins durchbrochen und endlich in die zartesten Zacken und Spitzen auf- gelöst. Diese beiden Grundgedanken des Äußeren kommen besonders an dem Turmbau zur Geltung. Außer dem kleineren Dachreiter über der Vierung hat die gotische Kirche zwei Türme (oder nur einen) an der West- seite. Im romanischen Stil erscheinen die Türme als bloße Anbauten; hier sind sie so eins mit der Kirche, daß sie in ihren unteren Geschossen die Fassade bilden, die sich in mächtigen Portalen mit trichterförmig ge- stellten Laibungen einladend öffnet. Mit gewaltigen, vielgegliederten Strebe- pfeilern an den Ecken steigen die Türme empor, fast ganz von Fenstern durchbrochen. In der Höhe des Daches lösen sie sich vom Körper der Kirche und trennen sich voneinander, jeder immer noch viereckig. Dann springen sie in Achteck über, indem die Strebepfeiler an den vier Ecken frei in Fialen auslaufen. Zwischen den Wimpergen der hohen Fenster des Oktogons setzen die Helme ein, ganz aus durchbrochenem Stab- und Maß- werk gebildet. Werfen wir von hier aus noch einmal einen vergleichenden Blick zum griechischen Tempel, so haben wir die vollkommensten Baustile vor uns; bei beiden ist der Bau gleichsam aus einem Gusse entstanden und bis in seine kleinsten Teile wie mit Naturnotwendigkeit aus dem Grundgedanken der Konstruktion erwachsen. Zugleich stehen sie zueinander im geraden Gegen- satz. Der griechische Tempel ist ein Außenbau; die Cella ist nur der Idee nach eine Wohnung. Im Äußeren liegt sein künstlerischer Vorzug; die Säulenhallen öffnen sich weit nach außen auf den Tempelbezirk und das zuschauende Volk und deuten die innige Verbindung zwischen dem öffent- lichen Leben und der Religion der Hellenen an. Der gotische Dom ist ein Jnnenbau, schließt von der Natur und der Alltäglichkeit des Lebens ab, negiert sie gleichsam und reißt den ganzen Menschen, ohne daß er sich zu wehren vermag, in den Zauber der Schönheit und die reine Sphäre des Geistes. Beim griechischen Tempel gibt der Widerstreit zwischen Tragen und Lasten, die harmonische Verbindung der senkrechten mit den wagerechten Gliedern dem Ganzen wie den einzelnen Teilen das Gepräge des festen Be- harrens; eine einfachere und ruhigere Schönheit ist nicht zu denken. Das gotische Bauwerk ist ein Triumph des sinnenden und berechnenden mensch-
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