1908 -
Berlin
: Grote
- Autor: Muff, Christian, Hopf, Jacob, Paulsiek, Karl
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1895
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: ABC_Lesen
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Jahn: Der Apoll von Belvedere.
der Perserkriege seien wiedergekehrt, man hoffte auf nationale Einigung,
auf Erhebung zu nationaler Freiheit und Größe. Wie im Perserkriege
schrieb man den Göttern einen wesentlichen und unmittelbaren Anteil an dem
Siege zu. Ein Dank- und Rettungsfest wurde gestiftet, das in Delphi noch
lange Zeit mit glänzendenl Aufwand gymnastischer und musischer Wettspiele
zu Ehren Zeus' des Erretters und des pythischen Apollo gefeiert wurde.
Es wurde erzählt und geglaubt, als man damit umgegangen fei, mit den
Tempelschätzen zu flüchten, habe ein Orakel das verboten mit der Weisung,
der Gott selbst werde Sorge tragen und die weißen Jungfrauen. Und als
die Kelten zu stürmen begannen und das furchtbare Unwetter mit Donner
und Blitz, Schnee und Hagel über sie einbrach, als der Sturm entwurzelte
Bäume und losgerissene Felsblöcke über sie herstürzte, da sah man Apollo
selbst in überirdischer Schönheit leuchtend durch die Dachöffnung in seinen
Tempel herabkommen und init Athene und Artemis, deren Bilder vor dem
Tempel standen, den Feind bekämpfen.
Das war ein Vorgang und eine Stimmung, welche einen Künstler
schöpferisch anregen mußten, und keinen glücklicheren Ausdruck konnte er für
die Vorstellung, welche es hier galt, finden, als das homerische Bild des
Apollo mit der Ägis. Bei wenigen Symbolen hat sich im Kultus und in
der Sage die ursprünglich zugrunde liegende Naturanschauung so lebendig
im Bewußtsein erhalten wie bei der Ägis und dem Gorgoneion. Daß sie
Sturm und Gewitter in ihren heftigsten Erscheinungen ausdrücken, ist wohl
nie ganz verkannt worden, und auch in der homerischen Schilderung klingt
der Ton der alten Naturpoesie im Mythus durch die epische Darstellung
hindurch. Zeus, der höchste Himmelsgott, zeigt sich in seiner höchsten
Macht und Majestät, wenn er die dunkeln Wolken am Himmel zum Ge-
witter versammelt und Blitz und Donner entsendet; dann schüttelt er die
grauenvolle Ägis und verbreitet Entsetzen und Vernichtung. Aus diesem
Aufruhr der Natur geht, wenn der Feuergott mit zuckendem Blitzschlag das
Gewölk zerteilt hat, in leuchtendem Glanz die blauäugige Athene am auf-
geklärten Firmament hervor; auch sie trägt als Waffe die Haut des Un-
getüms, dessen Vernichtung ihre Herrschaft begründet. Apollo, der Sonnen-
gott, zeigt seine eigentliche Natur und Kraft nicht im Sturm und Gewitter;
wenn man in solchen Erscheinungen unter ganz besonderen Umständen ihn
als wirksam beteiligt wahrzunehmen glaubte, so offenbarte er sich als den
von seinem Vater Zeus gesandten und ausgerüsteten Stellvertreter. Diese
Vorstellung sprach sich auch darin aus, daß das Rettungsfest zuerst dem
Zeus als dem Retter und erst neben ihm dem Apollo gewidmet wurde,
wiewohl dieser doch der eigentliche Gott des pythischen Heiligtums war.
Leibhaftig aber drückte die Statue sie aus, welche Apollo mit der von Zeus