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1. Abt. 8 = Für Prima - S. 353

1908 - Berlin : Grote
Erdmann: Wir leben nicht auf der Erde. 353 An Unschuld in Auffassung der Natur lassen sich mit dieser Gestalt nur die besten griechischen Arbeiten vergleichen, in denen sich ebenfalls keine Spur von Schaustellung dessen, was man zu schaffen imstande sei, sondern der einfachste, angemessenste Ausdruck der Natur darbietet, wie sie der Künstler empfand und sich allein zur Freude nachbilden wollte. Welches Werk eines antiken Meisters aber besitzen oder kennen wir, das uns so nahe stände wie dieses, das uns tiefer in die Seele griffe als diese Verklärung des höchsten und letzten menschlichen Kampfes in einer eben erblühenden Männergestalt? Dieser äußerste Augenblick zwischen Leben und Unsterblich- keit, dieser Schauder des Abschieds zugleich und der Ankunft, dies Zusammen- sinken kraftvoller, jugendlicher Glieder, die, wie ein leerer, prachtvoller Panzer, gleichsam von der Seele fortgestoßen werden, die sich emporschwingt, und nun, indein sie ihren Inhalt verlieren, ihn dennoch so ganz noch zu umhüllen scheinen. Mit einem über die Brust unter den Achseln herlaufenden Bande ist er an die Säule gefesselt; es schwinden ihm eben die Kräfte, das Band hält ihn aufrecht, er hängt beinahe darin, die eine Achsel wird empor- gezwängt, zu der der rückwärts sinkende Kopf sich seitwärts hinneigt. Die Hand dieses Armes ist auf die Brust gelegt, der andere erhebt sich ein- geknickt hinter dem Haupte, in der Stellung, wie man im Schlafe den Arm zu einem Kissen des Kopfes macht, und ist so am Gelenk angefesselt. Die Knie, dicht aneinandergedrängt, haben keinen Halt mehr; keine Muskel ist angespannt; alles kehrt in die Ruhe zurück, die den Tod bedeutet. 46. Wir leben nicht auf der Erde. Von Johann Eduard Erdmann. Ernste Spiele. Berlin, 1890. Als ich vor einigen Wochen hierher kam, um einen Vortrag anzuhören, lebte ich des Glaubens, den vielleicht manche mit mir geteilt haben, daß ich und alle übrigen Menschen auf der Erde leben und darauf wandeln werden, bis der unerbittliche Tod uns unter dieselbe bringt. Der Vortrag aber, den ich anhörte, zeigte mir, wie sehr ich mich geirrt hatte. Es ward näm- lich in demselben bewiesen, daß die Atmosphäre geradeso zur Erde gehört wie die Apfelschale zum Apfel oder wie die fruchtbare Ackerkrume zu dem festen Erdboden, auf welchem sie ruht. Ich mußte mir also sagen, daß, sowenig der Wurm, der zwischen Fleisch und Schale des Apfels sich be- sindet, sagen darf, er krieche auf dem Apfel herum; sowenig der Maul- wurf, der unter der Ackerkrume wühlt, behaupten darf, er laufe umher auf dem Acker: daß ebensowenig wir das geringste Recht haben, zu be- haupten, daß wir auf der Erde leben. Ich sagte mir, daß, wenn es Wesen Deutscher Lesebuch, Prima. 23
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