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1. Teil 7 = Für Obersekunda - S. 204

1918 - Leipzig [u.a.] : Teubner
204 ein jeder lesen und meistern; läuft einer jetzt mit den Augen durch 3, 4 Blätter und stößt nicht einmal an, wird aber nicht gewahr, wie viel Wacken und Klötze dagelegen sind, da es jetzt überhin geht, wie über ein gehoffelt (gehobelt) Brett, da wir haben müssen schwitzen nnb uns ängsten. Es ist gut pflügen, wenn der Acker gereinigt ist." Auch darin bewies Luther einen wunderbaren Takt als Übersetzer, daß er die rechte Mitte zu halten wußte zwischen einer von dem Original sich allzusehr entfernenden Freiheit und einer pedantischen, dem Geiste der Muttersprache zuwiderlaufenden Ängstlichkeit. Er wollte eine Übersetzung gebeil für das deutsche Volk und erklärt deshalb: „Man muß nicht die Buchstaben in den lateinischen Sprachen fragen, wie man soll deutsch reden, sondern man muß die Mutter im Hause, die Kinder auf der Gassen, den gemeinen Mann auf dem Markt drum fragen und denselbigen auf das Maul sehen, wie sie reden, und darnach dolmetschen; so verstehen sie es denn und merken, daß man deutsch mit ihnen redet. — So führte er denn auch z. B. in Maßen, Münzen und Gewichten deutsche Benennun- gen ein, wie Groschen, Scheffel usw., übersetzte den Prokonsul in einen Landpfleger u. dgl. m. Ebenso schaltet er bisweilen das Wörtchen „lieber" ein, wenn er glaubt, daß die Anrede dadurch einen milden Klang erhalte, und anderes der Art mehr. Hiervon nur noch ein Beispiel. Bei dem Gruße des Engels an Maria bemerkt er, daß er wörtlich laute: Maria voll Gnaden; allein „wo redt, der deutsche Mann so? Er denkt an ein Faß voll Bier oder einen Beutel voll Geldes. Darum hab ich's verdeutscht: du Holdselige! und hätte ich das beste Deutsch sollen nehmen, so hätte ich das also verdeutschen müssen: Grüß dich Gott, du liesse Maria; denn so viel will der Engel sagen, und so würde er geredt haben, wenn er sie hätte wollen deutsch grüßen. Wer deutsch kann, der weiß wohl, welch ein herzlich fein Wort das ist: Du liebe Maria! Der liebe Gott, der liebe Kaiser, der liebe Mann, das liebe Kind! Ich weiß nicht, ob man das Wort Liebe auch so herzlich und genugsam in lateinischen oder anderen Sprachen reden möge, das also dringe und klinge ins Herz durch alle Sinnen, wie es tut in unsrer Sprache." Welche unsägliche Mühe sich Luther gab, des deutschen Sprachschatzes sich vollkommen zu bemeiftern, davon geben uns ebenfalls seine eigenen Briefe und die Berichte der Zeitgenossen ansprechende Beispiele. Um die Edelsteine, welche in der Offenbarung Joh. (Kap. 21) vorkommen, richtig bezeichnen und sich selber eine richtige Vorstellung von dem machen zu können, was er niederschrieb, ließ er sich durch den vertrauten Spalatin eine Auswahl solcher Kleinodien aus dem kurfürstlichen Kabinette vor- legen. Ebenso erkundigte er sich genau und umständlich über die Venen-
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