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1. Teil 7 = Für Obersekunda - S. 301

1918 - Leipzig [u.a.] : Teubner
301 denn zunächst auch ein großer Bewunderer der Poesie. Die Neigung wurde durch meinen Vater gefördert, der zwar ein pflichtstrenger, aber enthusiastischer Mann war, begeistert für Dichtkunst, besonders für die große Zeit der deutschen Literatur. Er gab uns in den oberen Gymnasial- klassen den deutschen Unterricht und las mit uns den Homer. Wir mußten unter seiner Leitung auch abwechselnd deutsche Aufsätze in Prosa und metrische Übungen machen — Gedichte, tvie wir sie nannten. Aber wenn auch die meisten von uns schwache Dichter blieben, so lernten wir doch dabei besser als durch irgend eine andere mir bekannte Übuilg das, was wir zu sagen hatten, in die mannigfaltigsten Ausdrucksweisen umzuwenden. Das vollkommenste mnemotechnische Hilfsmittel, was es gibt, ist aber die Kenntnis des Gesetzes der Erscheinungen. Dies lernte ich zuerst in der Geometrie kennen. Von meinen Kinderspielen mit Bauhölzern her waren mir die Beziehungen der räumlichen Verhältnisse zueinander durch Anschauung wohl bekannt. Wie sich Körper von regelmäßiger Form an- einander legen und zusammenpassen würden, wenn ich sie so oder so wendete, das wußte ich sehr gut, ohne vieles Nachdenken. Als ich zur wissenschaftlichen Lehre der Geometrie kam, waren mir eigentlich alle Tat- sachen, die ich lernen sollte, zur Überraschung meiner Lehrer ganz wohl- bekannt und geläufig. Soweit meine Rückerinnerung reicht, kam das schon in der Volksschule des Potsdamer Schullehrerseminars, die ich bis zu meinem achten Lebensjahre besuchte, gelegentlich zum Vorschein. Neu war mir dagegen die strenge Methode der Wissenschaft, und unter ihrer Hilfe fühlte ich die Schwierigkeiten schwinden, die mich in anderen Gebieten gehemmt hatten. Der Geometrie fehlte nur eines; sie behandelte ausschließlich abstrakte Raumsormen, und ich hatte doch große Freude an der vollen Wirklichkeit. Größer und kräftiger geworden, bewegte ich mich viel mit meinem Vater oder mit Schulgenossen in den schönen Umgebungen meiner Vaterstadt Potsdam umher und gewann große Liebe zur Natur. So kam es wohl, daß mich die ersten Bruchstücke der Physik, die ich im Gymnasium kennen lernte, bald viel intensiver fesselten als die rein geometrischen und alge- braischen Studien. Hier war ein reicher und mannigfaltiger Inhalt mit der vollen Machtfülle der Natur, der unter die Herrschaft des begrifflich gefaßten Gesetzes zurückgeführt werden konnte. Auch war in der Tat das erste, was mich fesselte, vorzugsweise die geistige Bewältigung der uns anfangs fremd gegenüberstehenden Natur durch die lo- gische Form des Gesetzes. Aber natürlich schloß sich bald die Erkennt- nis an, daß die Kenntnis der Gesetze der Naturvorgänge auch der Zauber- schlüssel sei, der seinem Inhaber Macht über die Natur in die Hände gebe. In diesen Gedankenkreisen fühlte ich mich heimisch.
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