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1. Deutsche Dichtung in der Neuzeit - S. 221

1916 - Trier : Lintz
221 Dich im tiefen Gedräng' staunender Hörer heraus! Doch dort wirst du nun sein und stehn, und nimmer bewegt sich Euphrosyne hervor, dir zu erheitern den Blick. Du vernimmst sie nicht mehr, die Töne des wachsenden Zöglings, 105 Die du zu liebendem Schmerz frühe, so frühe gestimmt. Andere kommen und gehn; es werden dir andre gefallen; Selbst dem großen Talent drängt sich ein größeres nach. Aber du, vergesse mich nicht! Wenn eine dir jemals Sich im verworrnen Geschäft heiter entgegenbewegt, Deinem Winke sich fügt, an deinem Lächeln sich freuet Und am Platze sich nur, den du bestimmtest, gefällt, Wenn sie Mühe nicht spart noch Fleiß, wenn tätig der Kräfte Selbst bis zur Pforte des Grabs freudiges Opfer sie bringt, Guter, dann gedenkest du mein und rufest auch spät noch: „Euphrosyne, sie ist wieder erstanden vor mir!" Vieles sagt' ich noch gern; doch ach, die Scheidende weilt nicht, Wie sie wollte; mich führt streng ein gebietender Gott. Lebe wohl! Schon zieht mich's dahin in schwankendem Eilen. Einen Wunsch nur vernimm, freundlich gewähre mir ihn: Laß nicht ungerühmt mich zu den Schatten hinabgehn! Nur die Muse gewährt einiges Leben dem Tod. Denn gestaltlos schweben umher in Persephoneias Reiche massenweis Schatten vom Namen getrennt; Wen der Dichter aber gerühmt, der wandelt, gestaltet, Einzeln, gesellet dem Chor aller Heroen sich zu. Freudig tret' ich einher, von deinem Liede verkündet, Und der Göttin Blick weilet gefällig auf mir. Mild empfängt sie mich dann und nennt mich; es winken die hohen Göttlichen Frauen mich an, immer die nächsten am Thron. 130 Penelopeia redet zu mir, die treuste der Weiber, Auch Euadnez, gelehnt auf den geliebten Gemahl. Jüngere nahen sich dann, zu früh herunter gesandte, Und beklagen mit mir unser gemeines Geschick. Wenn Antigone kommt, die schwesterlichste der Seelen, 135 Und Polyxena^), trüb noch von dem bräutlichen Tod, Seh' ich als Schwestern sie an und trete würdig zu ihnen; Denn der tragischen Kunst holde Geschöpfe sind sie. Bildete doch ein Dichter auch mich, und seine Gesänge, Ja, sie vollenden an mir, was mir das Leben versagt." 140 Also sprach sie, und noch bewegte der liebliche Mund sich, Weiter zu reden; allein schwirrend versagte der Ton. Denn aus dem Purpurgewölk, dem schwebenden, immer bewegten, Trat der herrliche Gott Hermes gelassen hervor. Mild erhob er den Stab und deutete; wallend verschlangen 145 Wachsende Wolken im Zug beide Gestalten vor mir. , ') Gemahlin des Kapaneus, der bei dem Sturme auf Theben gefallen war, ließ sich mit der Leiche des Gatten verbrennen. — 2) Polyxena, die Tochter des Priamos, die Braut des Achilleus, wurde nach der Eroberung von Jlios von den Griechen geopfert. 110 115 120 125
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