1910 -
Straßburg
: Bull
- Autor: Dadelsen, Hans von
- Jahr der Erstauflage_wdk: 1896
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Schule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
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könne. Sollte ihre Lagerungs- und Bewegungswelse ihnen nicht gleich-
gültig sein, so müßte man sie sich nach Art der Monaden schon einzeln
mit Bewußtsein ausgestattet denken. Weder wäre damit das Bewußtsein
überhaupt erklärt, noch für die Erklärung des einheitlichen Bewußtseins
des Individuums das mindeste gewonnen.
Es ist also grundsätzlich unmöglich, durch irgend eine mechanische
Kombination zu erklären, warum ein Akkord Königscher Stimmgabeln mir
wohl-, und warum Berührung mit glühendem Eisen mir wehtut. Kein
mathematisch überlegender Verstand könnte aus astronomischer Kenntnis
des materiellen Geschehens in beiden Fällen a priori bestimmen, welcher
der angenehme und welcher der schmerzhafte Vorgang sei. Daß es
vollends unmöglich sei und stets bleiben werde, höhere geistige Vorgänge
aus der als bekannt vorausgesetzten Mechanik der Hirnatome zu verstehen,
bedarf nicht der Ausführung. Doch ist es, wie schon bemerkt, gar nicht
nötig, zu höheren Formen geistiger Tätigkeit zu greifen, um das Gewicht
unserer Betrachtung zu verstärken. Sie gewinnt gerade an Eindringlich-
keit durch den Gegensatz zwischen der vollständigen Unwissenheit, in welcher
astronomische Kenntnis des Gehirns uns über das Zustandekommen auch
der niedersten geistigen Vorgänge ließe, und der durch solche Kenntnis ge-
währten ebenso vollständigen Enträtselung der höchsten Probleme der
Körperwelt.
102. Das sanguinische und das sentimentale Temperament.
Hermann Lotze: Mikrokosmus (1858).
. . Die Gesundheit des Körpers beruht zum guten Teil darauf, daß
nicht alle seine Bestandteile eng genug untereinander verknüpft sind, um
jede erfahrene Erschütterung sich wechselseitig mitteilen zu müssen. Es ist
ein Zeichen krankhafter Nervenschwäche, wenn dieser heilsame Übergangs-
widerstand, der die Verbreitung der Erregungen verhindert, so weit ab-
nimmt, daß jede geringfügige Reizung alles in Mitleidenschaft zieht und
mäßige Störungen des natürlichen Gemeingcfühls sogleich zahlreiche
Mitcmpfindungen, krampfhafte Bewegungen und beschleunigte oder ver-
änderte Absonderungen hervorbringen. Man kann dagegen zweifeln, ob
nicht eben diese allseitige Erregbarkeit der richtige Ursprungsznstand der
Seele ist. Gewiß ist sie nicht bestimmt dauernd in diesem Zustande zu
verharren; aber die Aufgabe, sich selbst zu bilden und die Grundzüge
ihres Charakters allmählich fest werden zu lassen, wird sic doch nur ge-
deihlich lösen, wenn keine ursprüngliche Starrheit oder Trägheit ihres
Naturells sie hemmt. Ein bleibendes Übermaß dieser allseitigen Erreg-