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1. Schiller-Lesebuch - S. 163

1883 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
163 Zwang einen Anlass sein, die Handlung selbst so zu simplificieren. alles Überflüssige so sorgfältig von ihr abzusondern, dass sie, auf ihre wesent- lichsten Bestandteile gebracht, nichts als ein Ideal von dieser Handlung ward, welches sich gerade in derjenigen Form am glücklichsten aus- bildete, die den wenigsten Zusatz von Umständen der Zeit und des Ortes verlangte. Die Franzosen hingegen, die an der wahren Einheit der Handlung keinen Geschmack fanden, die durch die wilden Intriguen der spanischen Stücke schon verwöhnt waren, ehe sie die griechische Simplicität kennen lernten, betrachteten die Einheiten der Zeit und des Ortes nicht als Folgen jener Einheit, sondern als für sich zur Vorstellung einer Hand- lung unumgängliche Erfordernisse, welche sie auch ihren reichern und verwickeltem Handlungen in eben der Strenge anpassen müssten, als es nur immer der Gebrauch des Chors erfordern könnte, dem sie doch gänzlich entsagt hatten. 120. Das Wesen der Tragödie. Von Lessing. A. a. 0., S. 364. 365, 377, 378. Die Tragödie, nimmt er*) an, soll Mitleid und Schrecken ei’regen, und daraus folgert er, dass der Held derselben weder ein ganz tugend- hafter Mann noch ein völliger Bösewicht sein müsse, denn weder mit des einen noch mit des andern Unglücke lasse sich jener Zweck er- reichen... „Das Mitleid/* sagt Aristoteles, „verlangt einen, der unver- dient leidet, und die Furcht einen unseresgleichen. Der Bösewicht ist weder dieses noch jenes, folglich kann auch sein Unglück weder das erste noch das andere erregen“ . . . „Die Tragödie ist die Nachahmung einer Handlung, — die nicht vermittelst der Erzählung, sondern vermittelst des Mitleids und der Furcht die Reinigung dieser und dergleichen Leidenschaften bewirkt.“ Aristoteles bemerkte, dass das Mitleid notwendig ein vorhandenes Übel erfordere, dass wir längst vergangene oder fern in der Zukunft bevorstehende Übel entweder gar nicht oder doch bei weitem nicht so stark bemitleiden können als ein anwesendes; dass es folglich notwendig sei, die Handlung, durch welche wir Mitleid erregen wollen, nicht als vergangen, das ist, nicht in der erzählenden Form, sondern als gegen- wärtig, das ist, in der dramatischen Form nachzuahmen. Und nur dieses, dass unser Mitleid durch die Erzählung wenig oder gar nicht, sondern fast einzig und allein durch die gegenwärtige Anschauung erregt wird, nur dieses berechtigte ihn, in der Erklärung anstatt der Form der Sache die Sache gleich selbst zu setzen, weil diese Sache nur dieser einzigen Form fähig ist. Hätte er es für möglich gehalten, dass unser Mitleid auch durch die Erzählung erregt werden könne, so würde es allerdings ein sehr fehlerhafter Sprung gewesen sein, wenn er gesagt hätte: „nicht ‘) Aischylos. 11*
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