1883 -
Dresden
: Bleyl & Kaemmerer
- Autor: Bliedner, A.
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): Jungen
246
für deutsches Schauspiel öffnet sich unserem Yaterlande; Schröder hat
in Hamburg vorgearbeitet, Kaiser Joseph hat ihn jetzt an die Burg be-
rufen, Dalberg wirkt in Mannheim, und ein Fürst von Ihrer Erfahrung
und Thatkraft ist der Mann dazu, in Deutschland solche neue lebens-
volle Epoche für Litteratur und Kunst gründlich zu fördern.
Herzog (ihn ansehend, ohne Heftigkeit). Zum Aufschwung Eurer
wilden und rohen Gedanken! (Ihn gross ansehend:) Er ist doch wohl ver-
rückt! Steht hier, um sich für Leib und Leben zu verantworten wegen
eines frechen Werks und frecher Verbreitung desselben, und beginnt
seine Defensión damit, unerhörte Dinge zu begehren —! Deutsches
Theater! Narretei! Schaff' Er erst eine gebildete deutsche Sprache!
Schaff’ Er erst Geschmack! Ihr Schwaben, die kein Satan zum guten
Geschmack erziehen wird, Ihr wollt ein deutsches Theater machen!
Schwabenstreiche könnt Ihr machen, weiter nichts!
Schiller. Schwabenstreiche sind besser als Puppenspiel.
Herzog. Schweig’ Er still, bis ich Ihn frage. Deutsches Theater!
Den Voltaire habt Ihr neben Euch gehabt und lernt doch nichts! Der
junge Goethe, von welchem der von Weimar solch Aufhebens macht,
hat mir bei seiner Durchreise hier gesagt, er hätte in Strassburg die
Franzosen studiert, und was bringt er zustande? Ist’s nicht ein klägliches
Ding mit diesem Clavigo? Ein Frauenzimmer stirbt fünf Akte lang an
der Schwindsucht! Auf so einen geschmacklosen Einfall gerät man nur
bei uns! Und das spricht von deutschem Theater! (Aufstehend:) Das
Publikum verderben, verwirren, auf rühren, das allein könnt Ihr mit
Euern wüsten Phantastereien, und das Handwerk soll Euch gelegt werden.
(Umhergehend.)
Schiller. Durchlaucht —!
Herzog. Still schweigen — Wie ist Er auf die abscheuliche Idee
dieser Räuber gekommen?
Schiller. Im schwäbischen Magazin stand eine Geschichte, wie
ein verstossener Sohn seinen Vater rettete —
Herzog. Und —
Schiller. Und ich hatte im grossen Briten Shakespeare gesehen,
welche Leidenschaften ein Drama bilden konnten —
H erzog. Immer dies verderbliche England! und —
Schiller. Und — ich war Karlsschüler!
Herzog. Nun was soll das? (Stützt sich auf die Stuhllehne).
Schiller. Ich ward als Schüler in soldatischer Disciplin gehalten,
wie ein Wesen, das keinen eignen Gedanken, keinen eignen Willen
haben durfte, und war doch erregt von eigenen Gedanken, war doch
erhoben von eigener Willenskraft und geriet solchen Wegs —
Herzog. In Empörung ?
Schiller. Ja, in innere Empörung! — Sei’s denn gesagt! —Ich
bin zu dieser Unterredung gekommen mit vollem Vertrauen auf meine
gute Sache und auf Ihr edles Herz, Durchlaucht. Ich habe mich nicht
irren lassen durch Abmahnung, Warnung und Einschüchterung; ich habe
gehofft, meinem und dem allgemeinen Interesse zu nützen durch offene,