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1. Schiller-Lesebuch - S. 247

1883 - Dresden : Bleyl & Kaemmerer
247 mutige Rede. ' So sei es denn alles gesagt, was ich auf dem Herzen habe; vielleicht zündet ein Funke Wahrheit in Ihrer Seele; — ja, in innere Empörung geriet ich über mein Schicksal und das Schicksal meines Vaterlandes. Ich fühlte mich gemisshandelt Tag und Nacht bis in die innerste Seele hinein. Das Ideal eines Volksredners ward mir spöttisch entrissen; denn in der Karlsschule, hiess es, giebt es kein Volk und keine Gottesgelehrsamkeit. Willst du aufgenommen sein, so werde Jurist oder Mediziner. Ich war arm, die Aufnahme galt uns für die grösste Wohlthat, besonders weil ich nur bürgerlicher Herkunft war. Ich musste die Hand küssen, welche mir die ersehnte Zukunft entzog; ich ward Jurist und verwand mit Schmerzen diesen ersten Ruck, der meinen tiefsten Wünschen angethan wurde. Aber ich war nicht nur arm, ich war auch ein ungewandter und nun vollends eingeschüchterter Knabe, der wegen seines linkischen Wesens fortwährend gescholten und gestraft wurde. War das meine Schuld? Warum gab die Natur gerade mir ein ungestüm inneres und ein so trag nachhinkendes äusseres Wesen? So ward meine Jugend ein fortdauerndes Leiden, und als ich mich endlich mühsam in die aufgedrungene Bahn gefunden, da hiess es wiederum: ,Halt! Kein Jurist! Mediziner soll der Bursche werden, das passt besser für den armen Teufel/ Und zum zweitenmale gewaltsam wurde der Ruck meines Inneren erzwungen, oh auch alle Fugen in mir krachten und schmerzten. ,Was da!4 hiess es, ,der Mensch ist eine Ma- schine, man dreht sie und stellt sie und zwingt sie in Gang/ ,Der Mensch ist keine Maschine!4 schrie es auf in meiner Brust, und schrie es so lange, bis wir alle wussten, solche Erziehung sei Misshand- lung, bis wir alle fest entschlossen waren, uns aufzulehnen. War’s nun ein Wunder, dass die verschrobene Seele krampfhaft hineingerissen wurde in wilde Phantasien; war’s nun ein Wunder, dass wir Ideale ausbrüteten von ungetümer Natur?! Die Seele braucht Speise und Trank wie der Leib; das Ideal ist ihr Speise und Trank. Konnte unser Ideal dem Herrn der Karlsschule wohlgefällig werden? Vor unseren Augen war Kampf und Gewalt gegen die Vertreter des Landes, vor unseren Augen war Verhöhnung des Freiheitsgedankens, welcher jenseits des Meeres schmetternde Siege erfocht, vor unseren Augen Verhöhnung deutschen Dranges nach eigener Litteratur und Kunst, vor unseren Augen allüberall Druck auf Hirn und Herz; musste da nicht jener entsetzliche Zustand in uns entstehen, welcher die Augen schliesst und blind mit dem Haupt gegen die Schranke rennt, mussten da nicht die Räuber entstehen, welche man nun so entsetzlich findet?! Sie mussten entstehen, und die deutsche Karlsschule ist die Mutter des Stücks, der Herzog von Würtemberg ist der Vater desselben! [Pause. — Es donnert.] Herzog. Wenn du horchst, Franziska, so erfährst du, dass ich recht gehabt, und dass er reif ist, wie ich mir gedacht. (Er geht hinten nach dem Ausgange, als wolle er nach dem Wetter sehen, geht dann rasch auf die zweite Thür links zu, als wolle er Rieger rufen, bleibt aber plötzlich
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