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1. Deutsche Prosa - S. 10

1900 - Gera : Hofmann
10 Ernst Curtins. Was sie gefunden, sollte kein Standesbesitz sein; sie teilten es mit, wie die Sonne ihr Licht ausströmt, die empfänglichen Geister erhellend und erwärmend. Von den Sophisten wurde die Wissenschaft, welche sich als ein Zweig am Stamme des Volkslebens bescheiden und still ent- wickelt hatte, zu einem Ziergewächs gemacht, welches der Eitelkeit diente, und als eine Nutzpflanze gezogen, um Ehre, Geld und Einfluß zu er- langen. Tugend und Weisheit wurde in Lehrkursen für so und so viel Minen feilgeboten. Der gewerbsmäßige Betrieb der Wissenschaft war eine Umkehr der normalen Verhältnisse, und sie rächte sich an dem Stande selbst, der die Muße zum Geschäfte und das Wissen zu einer Erwerbsquelle gemacht hatte. Die talentvollsten Sophisten haben nur vorübergehenden Glanz gewonnen, und wir kennen sie nur aus dem, was die Vertreter der volkstümlichen Weisheit gegen sie gesagt haben. Während aber die Gründer der Sophistik, die Zeitgenossen des Perikles, an der gewaltigen Bewegung der Zeit ihren vollen Anteil hatten und zum Teil eine schöpferische Geisteskraft zeigten, wurden die Nachzügler immer kümmerlicher und ärmer. Die aus der Isolierung hervorgehende Einseitigkeit wurde immer größer; die Wissenschaft ohne lebendigen Inhalt artete in einen trocknen Formalismus aus, in eine pedantische Schulweisheit, welche die Menschen lächerlich machte, die darin ihre Lebensaufgabe suchten und sie mit anspruchsvollem Dünkel vortrugen. Daher der üble Klang des Worts „Scholastikos", d. h. des ganz der Muße Lebenden, der ältesten Benennung eines Gelehrten von Fach, mit welcher man schon im Anfang der Kaiserzeit einen ver- knöcherten Pedanten bezeichnete, und wir erinnern uns alle der köst- lichen Scholastikosgeschichten, welche uns ans der Schulbank die Elemente des Griechischen versüßten. Die Lehre, welche aus diesen Betrachtungen folgt, ist eine wohl zu beherzigende, die uns nicht immer klar vor Augen steht. Sie lautet, daß die wahre Wissenschaft an keinen Gelehrtenstand gebunden ist, daß volle Gelehrtenmuße eine gefährliche Mitgift ist, und unser Lebensberuf mancherlei Entartungen ausgesetzt ist, wie das Beispiel der ersten Professoren, der Sophisten, und ihrer Nachfolger zeigt. Wir werden in unserer Art zu denken und zu wirken immer zwischen den Sophisten und Philosophen der Hellenen unsern Stand- punkt zu nehmen haben. Entweder ist das Erkennen unser alleiniges Ziel oder ein Mittel zum Zweck, indem das Streben nach Erkenntnis von allerlei Nebenrücksichten auf äußere Vorteile allmählich so über- wuchert wird, daß unter diesen Schlinggewächsen der edle Baum ab- stirbt. Entweder lösen wir uns vom Volke, dem wir angehören, und wollen etwas Besonderes sein, eine bevorzugte Kaste, welche auf die
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