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1. Deutsche Prosa - S. 54

1900 - Gera : Hofmann
54 Heinrich von Treitschke. Frau die beste nennt, von der die Welt am wenigsten redet. Keine aus der langen Reihe begabter Fürstinnen, welche den Thron der Hohenzollern schmückten, hat unsern Staat regiert. Auch Königin Luise bestätigt nur die Regel. Ihr Bild, dem Herzen ihres Volkes einge- graben, ward eine Macht in der Geschichte Preußens, doch nie mit einem Schritte übertrat sie die Schranken, welche der alte deutsche Brauch ihrem Geschlechte setzt. Es ist der Prüfstein ihrer Frauenhoheit, daß sich so wenig sagen läßt von ihren Thaten. Wir wissen wohl, wie sie mit dem menschenkundigen Blicke des Weibes immer eintrat für den tapfersten Mann und den kühnsten Entschluß; auch einige, nur allzu wenige, schöne Briefe erzählen uns von dem Ernst ihrer Gedanken, von der Tiefe ihres Gefühles. Das alles giebt doch nur ein mattes Bild ihres Wesens. Das Geheimnis ihrer Macht lag, wie bei jeder rechten Frau, in der Persönlichkeit, in dem Adel natürlicher Hoheit, in jenem Zauber einfacher Herzensgüte, der in Ton und Blick unwill- kürlich und unwiderstehlich sich bekundete. Nur ans dem Widerscheine, den dies Bild in die Herzen der Zeitgenossen warf, kann die Nachwelt ihren Wert erraten. Nach dem Tage von Jena mußte auch Preußen den alten Fluch besiegter Völker ertragen: eine Flut von Anklagen und Vorwürfen wälzte sich heran wider jeden Mächtigen im Staate. Noch schroffer und schärfer hat in den leidenschaftlichen Parteikämpfen der folgenden Jahre die schonungslose Härte des norddeutschen Urteils sich gezeigt; kein namhafter Mann in Preußen, der nicht schwere Ver- kennung, grausamen Tadel von den Besten der Zeit erfuhr. Allein vor der Gestalt der Königin blieben Verleumdung und Parteihaß ehr- fürchtig stehen; nur Eine Stimme von Hoch und Niedrig bezeugt, wie sie in den Tagen des Glückes das Vorrecht der Frauen übte, mit ihrem strahlenden, glückseligen Lächeln das Kleine und Kleinste zu verklären, in den Zeiten der Not durch die Kraft ihres Glaubens die Starken stählte und die Schwachen hob. — Das gute Land Mecklenburg hat unserem Volke die beiden Feld- herren geschenkt, welche die Schlachten des neuen Deutschlands schlugen; wir wollen ihm auch die Ehre gönnen, diese Tochter seines alten Fürstenhauses sein Landeskind zu nennen, obgleich sie fern dem Lande ihrer Väter geboren und erzogen wurde. An dem stillen Darmstädter Hofe genoß die kleine Prinzessin mit ihren munteren Schwestern das Glück einer schlicht natürlichen, keineswegs sehr sorgfältigen Erziehung. Da sie heranwuchs, erzählte alle Welt von den wunderschönen mecklen- burgischen Schwestern. Jean Paul widmete ihnen seine überschwängliche Huldigung. Goethe lugte im Kriegslager vor Mainz verstohlen zwischen den Falten seines Zeltes hervor und musterte die lieblichen Gestalten mit gelassenem Kennerblicke; seiner Mutter, der alten Frau Rat, lachte
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