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1. Deutsche Prosa - S. 55

1900 - Gera : Hofmann
Königin Luise. 55 die Kinderlust aus den braunen Augen, wenn die jungen Damen nach Frankfurt kamen und im Dichterhause am Hirschgraben Specksalat aßen oder an dem Brunnen im Hofe sich selber einen frischen Trunk holten. So menschlich einfach wie die Kindheit der Prinzessin verlief, ist auch der Schicksalstag der Frau in ihr Leben eingetreten; dort in Frankfurt, am Tische des Königs von Preußen, fand sie den Gatten, der ihr fortan „der beste aller Männer" blieb. An lauten Huldigungen hat es wohl noch niemals einer deutschen Fürstenbrant gefehlt; das war doch mehr als der frohe Zuruf angestammter Treue, was die beiden mecklenburgischen Schwestern bei ihrem Einzug in Berlin begrüßte. In einem Augenblicke gewann die Kronprinzessin alle Herzen, da sie das kleine Mädchen, das ihr die üblichen Hochzeitsverse hersagte, in der Einfalt ihrer Freude, zum Entsetzen der gestrengen Oberhofmeisterin umarmte und küßte. Die unerfahrene siebzehnjährige Frau, aufge- wachsen im einfachsten Leben, sollte sich nun zurecht finden auf dem schlüpfrigen Boden dieses mächtigen Hofes, wo um den früh gealterten König ein Gewölk zweideutiger Menschen sich scharte, wo der geistvolle Prinz Ludwig Ferdinand sein unbändig leidenschaftliches Wesen trieb und der Kronprinz mit seiner frommen Sittenstrenge ganz vereinsamt stand; da fand sie eine treue und kundige Freundin an der alten Gräfin Voß. Wer kennt sie nicht, die strenge Wüchterin aller Formen der Etikette, die in siebzig Jahren höfischen Lebens das gute Herz, das gerade Wort und den tapferen Mut sich zu bewahren wußte? Sie gab ihrer Herrin den besten Rat, der einer jungen Frau erteilt werden kann: keinen anderen Freund und Vertrauten sich zu wählen als ihren Ge- mahl; und dabei blieb es bis zum Tode der Fürstin. Für den edlen, doch früh verschüchterten und zum Trübsinn ge- neigten Geist Friedrich Wilhelms ward es ein unschätzbares Glück, daß er einmal doch herzhaft mit vollen Zügen aus dem Becher der Freude trinken, die schönste und liebevollste Frau in seinen Armen halten, an ihrer wolkenlosen Heiterkeit sich sonnen durfte. Aber auch die Prin- zessin fand bei dem Gatten, was die rechte Ehe dem Weibe bieten soll: sie rankt sich empor an dem Ernst, dem festen sittlichen Urteile des reifen Mannes, lernt manche wirre Träumerei des Mädchenkopfes auf- zugeben. Unablässig strebt sie „sich zur inneren Harmonie zu bilden"; ihre wahrhaftige Natur duldet keine Phrase, keinen halbverstandenen Begriff. Etwas Liebenswürdigeres hat sie kaum geschrieben als die naiven Briefe an ihren alten freimütigen Freund, den Kriegsrat Scheffner. Da fragt sie kindlich treuherzig, damals schon eine reife Frau und vielbewunderte Königin: was man eigentlich unter Hierarchie verstehe, und wann die Gracchischen Unruhen, die Punischen Kriege ge-
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