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1. Deutsche Prosa - S. 136

1900 - Gera : Hofmann
136 Bernhard ten Brink. bewahrt. Er lebte in einem Städtchen, wo ländliche Arbeit sich mit Bürgererwerb paarte. Sein Vater war Ökonom und Kaufmann. Mannigfache Formen menschlicher Thätigkeit traten ihm schon in früher Jugend näher. Er gewöhnte sich daran, jede zu beobachten, bei jeder nach ihrem Zweck, nach ihren Werkzeugen, ihrer Methode zu fragen. Und diese Gewohnheit behielt er im späteren Leben bei. Daher kommt es, wenn er für jedes Ding aus jedem Gebiet den technischen Namen kennt, wenn er auch bei komplizierteren Verrichtungen irgend eines Handwerks jeden Vorgang genau darzustellen weiß. Daher die Über- lieferungen oder Hypothesen, wonach Shakspere bald ein Metzger, bald ein Wollhändler, dann wieder ein Schriftsetzer, oder auch ein Arzt oder auch Soldat gewesen sein soll. Die in solcher Weise geübte Beobachtnngs- und Kombinations- gabe wandte Shakspere ohne Frage frühzeitig auf sein eigent- lichstes Gebiet, auf das Studium des Menschen an. Die kleine Welt, die ihn umgab, und die Welt in seiner eigenen Brust boten ihm für dieses Studium ein vollkommen ausreichendes Material, und wie seine Bedürfnisse wuchsen, dehnte sich auch der Kreis seiner Er- fahrungen aus. Bekannt ist der Goethe'sche Spruch: „Einen Blick ins Buch hinein und zwei ins Leben, das muß die rechte Form dem Geiste geben." Wenn irgend ein hervorragender Dichter oder Denker aus neuerer Zeit, so ist Shakspere nach diesem Rezept gebildet. Wir haben anzudeuten versucht, wie er in Stratford jene Blicke ins Leben gethan haben mag. Was es mit dem Blick ins Buch bei ihm für eine Bewandtnis hatte, werden wir im Laufe unserer Betrachtungen zu erfahren Gelegenheit finden. Das geistige Besitztum eines Volkes, eines Zeitalters beschränkt sich aber nicht auf das, was in seiner Litteratur niedergelegt ist. Es giebt und gab besonders dazumal noch einen Schatz von Überlieferungen, die in Volksgebrüuchen und Sitten, in Lied und Sage sich fortpflanzten und bei einheitlichem Grundcharakter in den verschiedenen Landschaften vielfach eine verschiedene Färbung trugen. Auch diese gehören wesent- lich und zwar in hervorragender Weise zu der geistigen Atmosphäre, die den Menschen umgiebt. Im sechzehnten Jahrhundert verdiente England noch in vollem Maße den Namen des merry England. Puritanische Sittenstrenge hatte die lustigen, bunten Volksfeste noch nicht verpönt, die heitern Volksgesänge noch nicht verstummen lassen. Alte Sitten und Gebräuche wurden besonders auf dem Lande überall heilig gehalten: zu regel- mäßig wiederkehrenden Zeiten des Jahres wurden Umzüge, Spiele, Tänze veranstaltet, die oft in graue Vorzeit hinaufgingen, manchmal
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