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1. Deutsche Prosa - S. 142

1900 - Gera : Hofmann
142 Bernhard ten Brink. Bretterwelt hinausdrang. Und auch hier bietet seine Biographie uns charakteristische Zuge, die uns in sein Inneres einen Blick werfen lassen. Vom Jahre 1592 bis zum Jahre 1599 sehen wir den Dichter die Höhe seiner Kunst ersteigen und zugleich in der Kunstwelt und in der Gesellschaft sich eine gesicherte, allgemein anerkannte Stellung erobern. Im ersten Jahrzehnt des siebzehnten Jahrhunderts schafft er dann seine tiefsten, großartigsten Werke. Aber noch bevor er den Höhepunkt erreicht, sehen wir ihn die ersten Schritte thun, um sich für seine späteren Jahre in seiner Geburtsstadt ein ruhiges Heim zu bereiten. Shakspere hatte in London die Heimat und die Seinigen nie aus den Augen verloren; sobald er es vermochte, hatte er die Seinigen an seinem beginnenden Wohlstand teilnehmen lassen, zweifellos auch häufiger sie auf längere oder kürzere Zeit besucht. Bereits i. I. 1597 aber begann er sich in Stratford anzukaufen, den Plan vorzubereiten, den er dann nicht wieder fahren ließ. Und gegen das Jahr 1609 — etwas früher oder später — gelangte der lange gehegte Lieblingsgedanke endlich zur Verwirk- lichung. Der Dichter verließ die Bühne und die Großstadt und zog sich nach seiner stillen Heimat, zu Wald und Wiese, zu Frau und Kindern und Enkelin zurück, um die ihm noch beschiedenen Tage in edler Muße und ruhig beschaulichem Genuß zu verleben. So schloß sich das Ende seines Lebens wieder dem Anfang an zur schönen Voll- endung des Kreislaufes. Shaksperes Leben, mit dem seiner dramatischen Zeitgenossen ver- glichen, ist ebenso singulär, wie seine Werke sich unter den ihrigen ausnehmen. Der einzige unter ihnen, der keine akademische Erziehung genossen, der in einfachen Verhältnissen, in vertrautem Verkehr mit der Natur groß geworden, seine Bildung mehr dem Leben als der Schule ver- dankte. Früher als einer von den andern hatte Shakspere seine Zu- kunft gestaltet in einer Weise, die nichts Großes für ihn erhoffen ließ. Aber das, woran ein anderer zu Grunde gegangen wäre, wurde ihm nur ein Sporn, ein neues Lebensblatt mit frischem Mut zu beginnen. Enger als irgend einer seiner dramatischen Nebenbuhler schloß Shakspere sich in London dem Bühnenleben an. Aber weit entfernt, in dem lockeren Getriebe, wie so viele andere, an Seele und Leib zu Grunde zu gehen, erwuchs er zum Mann, zum Künstler und Dichter, zur geistigen und auch zur materiellen Selbständigkeit und Unabhängig- keit. — Wohlhabend, angesehen, berühmt, verließ er dann in der Kraft seiner Jahre das Theater und die Großstadt, um als Landedelmann in der Heimat seine Tage zu beschließen.
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