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1. Deutsche Prosa - S. 150

1900 - Gera : Hofmann
150 Wilhelm Scherer. Flicht Myrten in die Lorbeerreiser, Dein Bräut'gam naht, dein Held und Kaiser, Und führt dich heim im Siegesglanz. Er hatte einst für Lübeck und Schleswig-Holstein gegen Dänemark gesungen; er hatte vor dem Feind im Westen gewarnt: er durfte noch vom deutschen Ulanen in Frankreich berichten, Deutschlands Schlachten- denker preisen und am 3. September 1870 den Triumphgesang erheben: Nun laßt die Glocken Von Turm zu Turm Durchs Land frohlocken Im Jubelsturm! Zur Friedensseier sprach er gewichtige Worte vom deutschen Geist, der sein hohes Tagewerk aufs neue beginne: In Kirch' und Staat, in Wissenschaft und Kunst Erlöst vom Bann des Fremden, sucht er sich Die eigne Bahn und schafft sich selbst die Form. Die Satzung heimatlosen Priestertums Durchbricht der Denker, daß sich Glauben wieder Und Leben sühne; freudig ziehn die Boten Des Reichs dahin, um auf dem Fels der Macht Der Freiheit Haus in Treuen auszubauen. Und in einem jener prägnanten Epigramme seines Alters leitet er aus einem geistreichen Vergleich einen ernsten Mahnspruch ab: Wie aus Jupiters Stirn einst Pallas Athene, so sprang aus Bismarcks Haupte das Reich waffengerüstet hervor. Thu es der Göttin gleich, Germania! Pflanze den Ölbaum, Sei dem Gedanken ein Hort, bleibe gewaffnet, wie sie! Aber die großen Interessen der Menschheit wurden unserem Freund über den vaterländischen nicht fremd. Auch ihm scholl fcer Name der Freiheit süß ins Ohr. Für die Aufhebung der Sklaverei hat er mit dem ganzen Pathos seiner edlen Natur das Wort ergriffen. Und in einer Tragödie des nationalen Kampfes läßt er den sieg- reichen Römer zur besiegten Karthagerin, den Scipio zur Sophonisbe, von dem freien gottgegebenen Erbteil schöner Menschlichkeit versöhnend sprechen, das an keines Stamms Geschlecht und Art gebunden sei. Und die völkerverbindende Menschlichkeit hat Geibel selbst als Dichter praktisch bewährt. Auch er ist ein Zögling jenes litterarischen Universalismus, den wir seit Herder als einen Vorzug der Deutschen ansehen dürfen und der sich in Übersetzungen wie in stilistischen und formalen Nachbildungen bethätigt. Auch in seinen Poesien erklingen die Stimmen der Völker. Der politische Gegensatz hinderte ihn nicht, die französische Lyrik von Andre Chenier bis Victor Hugo und Franyois Coppee uns in meisterhaften Proben anzueignen. Und so
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