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1. Deutsche Prosa - S. 231

1900 - Gera : Hofmann
Erinnerungen. 231 mentellen und mathematischen Methoden gewesen, die durch leicht ge- fundene Modifikationen dem jedesmaligen besonderen Zwecke angepaßt werden konnten. Meine Kommilitonen und Freunde, die sich, wie ich selbst, der physikalischen Seite der Physiologie gewidmet hatten, leisteten nicht minder überraschende Dinge. Aber allerdings konnte es im weiteren Verlaufe dabei nicht bleiben. Ich mußte die nach bekannten Methoden zu lösenden Aufgaben all- mählich meinen Schülern im Laboratorium überlassen und mich selbst schwereren Arbeiten von unsicherem Erfolg zuwenden, wo die allge- meinen Methoden den Forscher im Stich ließen, oder wo die Methode selbst erst noch weiter zu bilden war. Auch in diesen Gebieten, die den Grenzen unseres Wissens näher kommen, ist mir ja noch mancherlei gelungen, Experimentelles und Mathematisches. Ich weiß nicht, ob ich das Philosophische hinzurechnen darf. In ersterer Beziehung war ich allmählich wie jeder, der viel experimentelle Aufgaben angegriffen hat, ein erfahrener Mann geworden, kannte viele Wege und Hilfsmittel und hatte meine Jugendanlage der geometrischen Anschauung zu einer Art mechanischer Anschauung ent- wickelt; ich fühlte gleichsam, wie sich die Drucke und Züge in einer mechanischen Vorrichtung verteilen, was man übrigens bei erfahrenen Mechanikern und Maschinenbauern auch findet. Vor solchen hatte ich dann immer noch einigen Vorsprung dadurch, daß ich mir verwickeltere und be- sonders wichtige Verhältnisse durch theoretische Analyse klar machen konnte. Auch bin ich im stände gewesen, einige mathematisch-physikalische Probleme zu lösen, und darunter sogar solche, an welchen die großen Mathematiker seit Euler sich vergebens bemüht hatten, z. B. die Fragen über die Wirbelbewegungen und die Diskontinuität der Be- wegung in Flüssigkeiten, die Frage über die Schallbeweguug an den offenen Enden der Orgelpfeifen u. s. w. Aber der Stolz, den ich über das Endresultat in diesen Fällen hätte empfinden können, wurde be- trächtlich herabgesetzt dadurch, daß ich wohl wußte, wie mir die Lösungen solcher Probleme fast immer nur durch allmählich wachsende Generali- sationen von günstigen Beispielen, durch eine Reihe glücklicher Einfälle nach mancherlei Irrfahrten gelungen waren. Ich mußte mich ver- gleichen einem Bergsteiger, der, ohne den Weg zu kennen, langsam und mühselig hinaufklimmt, oft umkehren muß, weil er nicht weiter kann, der bald durch Überlegung, bald durch Zufall neue Wegspuren entdeckt, die ihn wieder ein Stück vorwärts leiten, und endlich, wenn er sein Ziel erreicht, zu seiner Beschämung einen königlichen Weg findet, auf dem er hätte herauffahren können, wenn er gescheit genug gewesen wäre, den richtigen Anfang zu finden. In meinen Abhandlungen habe ich natürlich den Leser dann nicht von meinen Irrtümern unterhalten,
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