1900 -
Gera
: Hofmann
- Autor: Henschke, Margarete
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Über Ziele und Erfolge der Polarforschung. 241
Bis nach 1860 standen als die ersten der Polarforscher die Eng-
länder da, denen sich später die Amerikaner zugesellten. Die wichtigsten
Erfolge bis dahin waren die Entdeckung des magnetischen Pols 1831
durch John und seinen Neffen James Roß, die Festlegung der Küsten
des arktischen Amerika und zahllose wissenschaftliche Einzelbeobachtungen.
Später traten andere Nationen jenen beiden ebenbürtig zur Seite, so
die Dänen in Grönland, so namentlich die Schweden, deren glänzendster
Vertreter Nordenskjöld ist; gleichfalls hervorgehoben seien unsere beiden
deutschen Polarfahrten nach Ostgrönland, die östreichische Expedition,
welche unter Weyprecht und Payer Franz-Josephs-Land entdeckte; die
holländischen Forschungen südlich von Spitzbergen, die russischen an der
Nordküste Sibiriens; und jetzt stehen durch Nansen und Mohn die
Norweger mit in der ersten Reihe der Polarforscher.
Alles dies waren vereinzelte Unternehmungen; für ein streng
wissenschaftliches Studium der Polarnatur mußten jedoch gleichzeitige
andauernde Beobachtungen von äußerster Wichtigkeit seiu. So schlugen
der Direktor der deutschen Seewarte, Geh. Rat Neumayer, und der
österreichische Schiffsleutnant Weyprecht vor, man solle während eines
ganzen Jahres auf einer Kette den Pol umgebender Stationen Beobach-
tungen aufstellen; dieser Vorschlag wirkte so lebhaft, daß für 1882—83
eine Reihe von Völkern zu dieser gemeinsamen Arbeit zusammentrat,
Deutschland, England, Amerika, Rußland, Östreich, Frankreich, Schweden,
Norwegen und Finnland. Das Deutsche Reich bewilligte 300000 Mark;
die östreichische Expedition zahlte Graf Wiltschek, die schwedische Kauf-
mann O. Smith; für die Polarforschung des einen Jahres sind gewiß
3—4 Millionen Mark ausgegeben; überschlügt man aber die Kosten
aller Polarfahrten dieses Jahrhunderts, so steigt die Summe wohl über
hundert Millionen.
Aber nicht nur durch dies internationale Bündnis war das Jahr
1884 epochemachend; damals kehrte ferner Nordenskjöld vom grön-
ländischen Binneneis zurück, und drittens, beim Anhören eines Berichtes
über Nordenskjöld durchzuckte den Mann, der heute als erster unter
den Polarforschern gilt, durchzuckte Nansen der Gedanke einer Durch-
wanderung Grönlands auf Schneeschuhen, an deren ruhmvolle Aus-
führung er dann die neuen Ideen anknüpfte, die er, von dem diesmal
gerechten Glück begünstigt, soeben zu jubelndem Staunen der ganzen
Welt siegreich vollendet hat.
So ist die Nordpolforschung fast ausschließlich das Werk ger-
manischer Nationen; denn auch die Führer der Russen waren meist
germanischer, und zwar deutscher Abstammung. Die Romanen, durch-
aus nicht minder seetüchtig, haben sich vom Nordpol ganz fern gehalten.
Doch treffen wir Frankreich thätig für die Erforschung des Südpols.
M. Henschke, Deutsche Prosa. 16