1900 -
Gera
: Hofmann
- Autor: Henschke, Margarete
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Wilhelm Roscher.
dienst nicht einmal beantragt werden dürfe, um Ol. 107, 4. Gerade
der Schanspielluxus, bei dem so viele geistige und leibliche Interessen
zusammenwirken, nimmt bei sinkenden Völkern sehr leicht einen solchen
Charakter an. Selbst ein Herrscher wie Trajan ließ beim Triumphe
über die Datier 11000 Tiere im Zirkus töten und 10000 Gladiatoren
mit einander kämpfen. Dieselbe Manie war im ganzen römischen Erd-
kreise verbreitet. Salvian wirft den Trierern vor, daß sie nach drei-
maliger Verwüstung ihrer Stadt durch die Barbaren zunächst eine
Wiederherstellung ihrer Zirkusspiele auf Staatskosten verlangt hätten.
Ja, in den Zeiten des byzantinischen Roms zog sich das absterbende
Nationalinteresse so sehr in die entgegengesetzten Zirkusparteien, daß
z. B. Kaiser Justinian die Schauspielerin Theodora wahrscheinlich um
ihres politischen Einflusses willen zur Frau genommen hat.
Wie bekannt, so ist es eines der Hauptverdienste von Malthus,
nachdrücklich eingeschärft zu haben, daß eine lebhafte Konsumtion nicht
allein die Wirkung, sondern auch die Ursache einer lebhaften Produktion
ist. So lange der Wohlstand eines Volkes wächst, pflegt auch dessen
Konsumtion zu wachsen. Der Verfall beginnt, wenn bei stillstehendem
oder gar abnehmendem Wohlstände die Konsumtion zu wachsen fort-
fährt. Alsdann ist jeder Luxus unklug. Nun pflegt aber der wirt-
schaftliche Verfall eines Volkes von dem moralischen und politischen
selten getrennt zu sein. Bei verfallenden Nationen ist der Luxus daher
in der Regel auch unsittlich. Von den Zeiten des sinkenden Altertums
urteilt Rau sehr schön: „Der Luxus allein würde den Sittenverfall
nicht haben bewirken können, wenn nicht andere Ursachen dagewesen
wären, von denen der ungezügelte Luxus selbst wieder Symptom und
Wirkung war".
Hier zeigt sich die Relativität alles Luxus am deutlichsten. In
der Geschichte eines einzelnen Volkes können wir mit ziemlicher Be-
stimmtheit nachweisen, wo der Luxus jene heilsame Grenze überschritten
hat. Von zwei verschiedenen Völkern aber kann recht gut, was bei
dem einen sträfliche Vergeudung war, bei dem andern heilsamer Lebens-
genuß werden, falls nämlich ihre ökonomischen Kräfte verschieden sind.
Bischof Berkeley vergleicht das Verfahren der irischen Grundherren,
ausländische Prunksachen und Leckerbissen durch Ausfuhr von Lebens-
mitteln zu bezahlen, mit dem einer Mutter, welche das Brot ihrer
Kinder verkauft, um sich Putz und Naschwerk dafür anzuschaffen; dem
gleichzeitigen Luxus der englischen Gentry ist er nicht entgegen. Ge-
rade wie bei den einzelnen: wo auch z. B. das alltägliche Trinken von
Tischwein für den Reichen Einfachheit, für den armen Familienvater
unsittlicher Luxus ist.
Wer deshalb über einen Lnxusfall urteilen will, der muß immer