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1. Deutsche Prosa - S. 298

1900 - Gera : Hofmann
298 Wilhelm Roscher. dienst nicht einmal beantragt werden dürfe, um Ol. 107, 4. Gerade der Schanspielluxus, bei dem so viele geistige und leibliche Interessen zusammenwirken, nimmt bei sinkenden Völkern sehr leicht einen solchen Charakter an. Selbst ein Herrscher wie Trajan ließ beim Triumphe über die Datier 11000 Tiere im Zirkus töten und 10000 Gladiatoren mit einander kämpfen. Dieselbe Manie war im ganzen römischen Erd- kreise verbreitet. Salvian wirft den Trierern vor, daß sie nach drei- maliger Verwüstung ihrer Stadt durch die Barbaren zunächst eine Wiederherstellung ihrer Zirkusspiele auf Staatskosten verlangt hätten. Ja, in den Zeiten des byzantinischen Roms zog sich das absterbende Nationalinteresse so sehr in die entgegengesetzten Zirkusparteien, daß z. B. Kaiser Justinian die Schauspielerin Theodora wahrscheinlich um ihres politischen Einflusses willen zur Frau genommen hat. Wie bekannt, so ist es eines der Hauptverdienste von Malthus, nachdrücklich eingeschärft zu haben, daß eine lebhafte Konsumtion nicht allein die Wirkung, sondern auch die Ursache einer lebhaften Produktion ist. So lange der Wohlstand eines Volkes wächst, pflegt auch dessen Konsumtion zu wachsen. Der Verfall beginnt, wenn bei stillstehendem oder gar abnehmendem Wohlstände die Konsumtion zu wachsen fort- fährt. Alsdann ist jeder Luxus unklug. Nun pflegt aber der wirt- schaftliche Verfall eines Volkes von dem moralischen und politischen selten getrennt zu sein. Bei verfallenden Nationen ist der Luxus daher in der Regel auch unsittlich. Von den Zeiten des sinkenden Altertums urteilt Rau sehr schön: „Der Luxus allein würde den Sittenverfall nicht haben bewirken können, wenn nicht andere Ursachen dagewesen wären, von denen der ungezügelte Luxus selbst wieder Symptom und Wirkung war". Hier zeigt sich die Relativität alles Luxus am deutlichsten. In der Geschichte eines einzelnen Volkes können wir mit ziemlicher Be- stimmtheit nachweisen, wo der Luxus jene heilsame Grenze überschritten hat. Von zwei verschiedenen Völkern aber kann recht gut, was bei dem einen sträfliche Vergeudung war, bei dem andern heilsamer Lebens- genuß werden, falls nämlich ihre ökonomischen Kräfte verschieden sind. Bischof Berkeley vergleicht das Verfahren der irischen Grundherren, ausländische Prunksachen und Leckerbissen durch Ausfuhr von Lebens- mitteln zu bezahlen, mit dem einer Mutter, welche das Brot ihrer Kinder verkauft, um sich Putz und Naschwerk dafür anzuschaffen; dem gleichzeitigen Luxus der englischen Gentry ist er nicht entgegen. Ge- rade wie bei den einzelnen: wo auch z. B. das alltägliche Trinken von Tischwein für den Reichen Einfachheit, für den armen Familienvater unsittlicher Luxus ist. Wer deshalb über einen Lnxusfall urteilen will, der muß immer
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