1900 -
Gera
: Hofmann
- Autor: Henschke, Margarete
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Ein Mahnruf in der Wohnungsfrage.
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Das andere System der großen Kasernenbauten gilt natürlich auch
hier als das weniger vornehme; aber seine Notwendigkeit wird für die
Großstädte mehr und mehr allgemein zugegeben; selbst die Gesellschaften,
die sich bisher rühmten, nur Einzelhäuser zu bauen, gehen jetzt zu dem
Versuche mit block-buildings über. Wertvolleres Bauterrain im Innern
der Stadt kann man nur durch große Bauten mit 4—5 Stockwerken
und mit einigen Läden ausnützen. In der baulichen Anlage hat man
sich bestrebt, die sämtlichen Kommunikationswege bis zum Eingang in
die einzelne Familienwohnung so freizulegen, daß sie jeden Moment
vom Hofe oder von der Straße aus übersehen werden können; die
Treppen liegen im Freien, die Höfe sind nach innen von freiliegenden
Galerien umgeben; die Gemeinsamkeit von Aborten und anderen Räumen
für mehrere Familien ist gänzlich beseitigt oder auf das geringste Maß
beschränkt. Dadurch sind die den Kasernenwohnungen bisher anhaftenden
häßlichen Konstikte der verschiedenen Mietparteien, besonders der Frauen
und Kinder, sehr vermindert, die Aufsicht durch die Hausmeister ist
erleichtert, die Hauptquelle zu liederlichem Verkehr ist verstopft. Die
Utztroxolitan -Association vermietet Quartiere von 3 Räumen zu
4—6 8h. wöchentlich, ja von 2 8h. 6 d. an. In den für die ärmsten
Klassen bestimmten Katharine buildings werden ein Raum in den
höheren Stockwerken schon zu 1 8h. 6 d. wöchentlich, zwei Räume in
dem ersten zu 5 8h. 6 d. abgegeben. Die Resultate für Sittlichkeit,
Gesundheit, Familienleben, Sterblichkeit sind in allen diesen Quartieren
überraschend, wozu allerdings die strenge Hausordnung, die wöchent-
liche Einziehung der Miete und andere derartige Verwaltungsmaßregeln
wesentlich beitragen.
Sollen wir das in Deutschland nicht nachahmen können, weil
unsere Zustände noch nicht so verzweifelt sind, wie in London und den
englischen Fabrikstädten? Was wir bisher in Deutschland an Bauge-
sellschaften hatten, das waren kleine spießbürgerliche Vorversuche. Es
ist Zeit, daß wir jetzt die Sache in großem Stile, mit großem Kapital,
mit Bautechnikern ersten Ranges in Angriff nehmen. Es giebt wenige
gleich dringliche Aufgaben; um der Verrohung unserer unteren Klassen,
dem schnöden Wohnungswucher, den ungesunden Mietsverhältnissen
unserer großen Städte entgegen zu wirken, ist die Gründung großer
humanitärer Vereine und Gesellschaften das einfachste und das am
sichersten wirkende Mittel.
Dabei wird der Bau von kleinen Häuschen mit 1—2 Wohnungen
nicht ausgeschlossen sein, aber doch zurücktreten müssen; ebenso der
systematische Verkauf an die kleinen Mieter.
Der Ban und Verkauf kleiner Häuser zu unbeschränktem Eigen-
tum gehört eigentlich auf das platte Land, wo jedes Häuschen in einem