1900 -
Gera
: Hofmann
- Autor: Henschke, Margarete
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
Ein Mahnruf in der Wohnungsfrage.
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als die kleinen Hausbesitzer auf eigenem Grund und Boden. Diese
wären innerhalb des Parks noch viel übler daran, würden oft mit
großem Verluste verkaufen müssen, wenn nicht die Gesellschaft jetzt stets
bereit wäre, die Häuser zurückzukaufen.
In verschiedenen Gesellschaften scheint man in den letzten Jahren
durch absichtliches Zurückkaufen sich auf denselben Boden gestellt zu
haben, auf dem sich diese Diskussion widerspruchslos bewegte.
Sie scheint mir ebenso lehrreich, als in ihren Motiven durch-
schlagend. Je größer die Stadt, je mehr die Gebäude im Zentrum
liegen, je weniger wohlhabend und gebildet die Bewohner sind, desto
weniger ist die Erstrebung eines unbedingt freien Haus- und Grund-
eigentums angezeigt, möglich und segensreich. Man hat, wie mir
scheint, in Deutschland viel zu einseitig behauptet, jede gemeinnützige
Baugesellschaft verfehle ihren Berns, wenn sie nicht Hauseigentümer
schasse. Es leben in unseren großen Städten überhaupt nur noch
wenige Prozent der Fainilien im eigenen Hause. Es ist gewiß wünschens-
wert, daß diese Sitte wieder mehr zunehme — in den Vorstädten und
für den besitzenden Mittelstand; aber ehe dieser solche Wünsche sich an-
eignet, ist es Thorheit zu glauben, man könne und solle den kleinen
Mann, den Fabrikarbeiter, dazu bringen. Er ahmt doch immer die
Lebensgewohnheiten der Mittelklasse nach; er kann in seiner Lebens-
haltung nicht anders als durch diese Nachahmung steigen.
Dazu kommt, daß für die Menge dieser Leute doch oftmals das
Wohnen in den Vororten zu zeitraubend, der Verkehr dahin zu teuer
und zu schwierig ist. Gewiß muß man das Herausziehen der Etablisse-
ments und der Arbeiter in jeder Weise fördern. Aber es ist nur für
einen Teil und nur sehr langsam möglich. Die Menge bleibt in den
engen alten Mittelpunkten des städtischen Lebens. Die Wohnplütze der
Armen und Ärmsten sind in absehbarer Zeit von da nicht wegzubringen.
Der Schluß, den wir daraus für die Aufgaben der deutschen
Gegenwart ziehen, ist einfach: Soweit wir nicht auch in Deutschland
schon Stiftungen für diesen Zweck haben, wie die Dresdener Joh.
Meyer-Stiftung (über 300 000 Mark schon verbaut), die Hamburger
Julius Ree-Stiftung (4 Mill. Mark), die ottensensche Heeft-Stiftung
(100 000 Mark), müssen wir große Aktiengesellschaften ins Leben rufen,
die in den Vorstädten Einzelhäuser für die Elite der Arbeiter, der
kleinen Beamten, der Werkmeister bauen, aber nicht in erster Linie
den Verkauf ins Auge fassen, die aber noch mehr beginnen, die eigent-
lichen Arbeiter- und Armenqnartiere im Zentrum der Städte aufzu-
kaufen, sie, soweit es nötig ist, umzubauen nach den englischen Vor-
bildern, soweit es aber geht, sie nur zu renovieren und in musterhafter
Weise zu vermieten.