1900 -
Gera
: Hofmann
- Autor: Henschke, Margarete
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Geschlecht (WdK): koedukativ
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Berthold Auerbach.
Aus dem Kindergarten.
Berthold Auerbach, Aus dem Schatzkästlein des Gevattersmanns.
(Stuttgart u. Augsburg. I. G. Cotta'scher Verlag. 1856.)
Zerstören ist oft die liebste Thätigkeit eines Kindes. Dn
kommst vom Markte nach Haus, hast gut verkauft oder auch nichts
gelöst, du willst doch daheim eine Freude bereiten und bringst deinem
Kinde ein buntes Spielzeug mit. Kaum aber ist die erste Freude der
Überraschung und des Staunens vorüber, so beginnt das Kind an dem
Mitgebrachten und Geschenkten zu ändern, zu bosseln, und wenn's hoch
kommt, nach wenigen Tagen ist das Spielzeug in Stücken und zerstört.
Du bist Sommers auf einem Spaziergange mit deinem Knaben und
brichst ihm auf sein Bitten oder Verlangen eine schlanke Gerte ab,
gieb acht, er duldet kein Blatt daran, sondern streift eines nach dem
andern herunter, bis er nach Wohlgefallen mit der biegsamen Gerte
hantieren kann; über eine Weile hat er begonnen, die Gerte zu lösen
und schält sie nach und nach ganz los, vom heftigen Fuchteln bricht
bald oben bald unten ein Stück ab, ein anderes wird geflissentlich ab-
gebrochen und von der schönen Gerte kommt selten etwas nach Haus,
um im vergessenen Winkel zu dorren.
Leicht möglich, daß dieser Zerstörungstrieb des Kindes dich
ärgerlich macht oder du willst ihm nichts mehr schenken oder nimmst
ihm das Gegebene wieder weg und schließest es in den Schrank. . . .
Der Grundtrieb eines jeglichen Lebendigen und des Menschen vor
allemist: etwas zu schaffen, hervorzubringen, zu gestalten. Wir nehmen
die Welt ringsumher nicht bloß müßig hin, sondern wollen etwas
daraus machen. Dieser Drang beginnt im Kleinen oder zeigt sich im
Großen, in Ackerbau und Gewerbe, in der Schöpfung von Kunstwerken
und in der Bildung unserer Lebens- und Staatsverhältnisse. Haben
wir etwas vollbracht und es steht nun vor uns, was früher nur als
Plan und Wille in unserem Kopfe war, so haben wir, oft ohne es zu
wissen, das Wohlgefühl, aus den Dingen um uns her etwas gemacht
zu haben: in ihnen steckt nun, was wir früher bloß im Sinne hatten,
unser eigener vollsührter Wille schaut uns daraus an. So geht es,
wenn wir aus Brettern einen Stuhl, aus einem Steinblock eine Figur,
aus unserem klaren Willen eine Gemeinde- oder Staatseinrichtung ge-
schaffen haben.
Dieser Trieb der Bethätigung, die Lust, seine Kraft wo auszulassen,
seinen Willen wo einzuprägen, zeigt sich auch schon mächtig im Kinde.
Gieb ihm ein Spielzeug: dein Töchterchen mag sich damit begnügen,
die Puppe aus- und anzuziehen, in die Wiege zu legen und zu wiegen