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1. Deutsche Prosa - S. 370

1900 - Gera : Hofmann
370 Berthold Auerbach. Aus dem Kindergarten. Berthold Auerbach, Aus dem Schatzkästlein des Gevattersmanns. (Stuttgart u. Augsburg. I. G. Cotta'scher Verlag. 1856.) Zerstören ist oft die liebste Thätigkeit eines Kindes. Dn kommst vom Markte nach Haus, hast gut verkauft oder auch nichts gelöst, du willst doch daheim eine Freude bereiten und bringst deinem Kinde ein buntes Spielzeug mit. Kaum aber ist die erste Freude der Überraschung und des Staunens vorüber, so beginnt das Kind an dem Mitgebrachten und Geschenkten zu ändern, zu bosseln, und wenn's hoch kommt, nach wenigen Tagen ist das Spielzeug in Stücken und zerstört. Du bist Sommers auf einem Spaziergange mit deinem Knaben und brichst ihm auf sein Bitten oder Verlangen eine schlanke Gerte ab, gieb acht, er duldet kein Blatt daran, sondern streift eines nach dem andern herunter, bis er nach Wohlgefallen mit der biegsamen Gerte hantieren kann; über eine Weile hat er begonnen, die Gerte zu lösen und schält sie nach und nach ganz los, vom heftigen Fuchteln bricht bald oben bald unten ein Stück ab, ein anderes wird geflissentlich ab- gebrochen und von der schönen Gerte kommt selten etwas nach Haus, um im vergessenen Winkel zu dorren. Leicht möglich, daß dieser Zerstörungstrieb des Kindes dich ärgerlich macht oder du willst ihm nichts mehr schenken oder nimmst ihm das Gegebene wieder weg und schließest es in den Schrank. . . . Der Grundtrieb eines jeglichen Lebendigen und des Menschen vor allemist: etwas zu schaffen, hervorzubringen, zu gestalten. Wir nehmen die Welt ringsumher nicht bloß müßig hin, sondern wollen etwas daraus machen. Dieser Drang beginnt im Kleinen oder zeigt sich im Großen, in Ackerbau und Gewerbe, in der Schöpfung von Kunstwerken und in der Bildung unserer Lebens- und Staatsverhältnisse. Haben wir etwas vollbracht und es steht nun vor uns, was früher nur als Plan und Wille in unserem Kopfe war, so haben wir, oft ohne es zu wissen, das Wohlgefühl, aus den Dingen um uns her etwas gemacht zu haben: in ihnen steckt nun, was wir früher bloß im Sinne hatten, unser eigener vollsührter Wille schaut uns daraus an. So geht es, wenn wir aus Brettern einen Stuhl, aus einem Steinblock eine Figur, aus unserem klaren Willen eine Gemeinde- oder Staatseinrichtung ge- schaffen haben. Dieser Trieb der Bethätigung, die Lust, seine Kraft wo auszulassen, seinen Willen wo einzuprägen, zeigt sich auch schon mächtig im Kinde. Gieb ihm ein Spielzeug: dein Töchterchen mag sich damit begnügen, die Puppe aus- und anzuziehen, in die Wiege zu legen und zu wiegen
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