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1. Deutsche Prosa - S. 374

1900 - Gera : Hofmann
374 Berthold Auerbach. kommen Sie auf einen großen Platz, Sie gehen quer über denselben, lassen zwei Straßen rechts liegen, biegen dann links ein und dann u. s. w. Besser ist's, er sagt dir: da und da fragen Sie wieder nach, oder du thust's von selber. -i- * * Planmäßig nach einer gewissen Ordnung selbst die Spiele der Kinder so zu leiten, daß sie vom Kleinen und Einfachen zum Großen und Zusammengesetzten fortschreiten, das halten viele für grausame Tyrannei, für unbefugtes Eingreifen in das stille Wachstum des Lebens. Gewiß, das stille Brüten der Seelenkeime darf nicht gestört werden, sonst macht man's ja wie die Kinder selber, die oft eine Bohne, welche sie gestern in die Erde gesenkt, heute wieder ausgraben, um nachzu- sehen, was sie macht, oder durch allzu eifriges Begießen den Keim ersäufen. Das Leiten der Spiele und Thätigkeiten der Kinder soll aber nur ein solches sein, daß sie unvermerkt zu Höherem aufsteigen, daß ihrem Thätigkeitstriebe etwas zur Hand gegeben wird, was sie ergötzt und fördert. -i- * * Gesegnet sei diehand, die einem Kinde Freude be- reitet; wer weiß, wann und wo die Freude einst wieder ausblüht. Gedenkt nicht fast jeder eines wohlwollenden Menschen, der ihm in stillen Tagen der Kindheit Freundliches erwiesen? Der Schreiber dieses sieht sich in diesem Augenblicke als barfüßigen Knaben an den Lattenzaun eines kleinen ärmlichen Gärtchens in seinem Heimatdorfe versetzt, er schaut sehnsüchtig nach den Blumen, die so still in den hellen Sonntagmorgen hineinblühen. Aus dem Hause tritt der Besitzer des Gärtchens, er ist ein Holzhacker, der die ganze Woche über im Walde arbeitet, er will sich wohl eine Blume holen, um sie mit zur Kirche zu nehmen; da sieht er den Knaben, er bricht die schönste Nelke ab, sie ist rot und weiß gesprenkelt, und reicht sie dem Draußenstehenden. Geber und Empfänger redeten kein Wort, denn der Knabe rannte in behenden Sprüngen nach Hause. — Und jetzt, hier in weiter Fremde, nach so vielen Erlebnissen vieler Jahre, stellt sich das Dankgefühl, das damals des Knaben Brust bewegte, aufs Papier; die Nelke ist längst verwelkt, aber sie blüht jetzt wieder neu auf. Sieh zu, lieber Leser, ob nicht ein Blumenduft aus kindlicher Ferne auch dich umgiebt; vergilt ihn an den Kindern um dich her.
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