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1. Deutsche Prosa - S. 382

1900 - Gera : Hofmann
382 Charlotte Duncker. den natürlichen Bindungen und Abhängigkeiten wenig holden Zeit wird nicht selten den Kindern sogar das Haus, welchem sie ihren Ursprung und ihre Bildung verdanken, zum Gegenstand beliebigen Verkehrs; während die Eltern die vornehmsten und begehrtesten Gäste jedes ge- sund gearteten Hauses sein müßten, sieht man Eltern durch gastliche Zuvorkommenheit sich bewerben um den Besuch der Kinder und Enkel. Müßte jedes Haus ein behagliches Verweilen der Eltern in seinem Bereich als die auf ihm ruhende, segnende Gotteshand, als köstlichen Erinnernngsschatz des Heranwachsenden Geschlechts betrachten, so gehört die Wahrnehmung des Verhältnisses zu weniger nahen Zweigen der Familie doch auch zu den Pflichten des Hauses. Es darf nicht irre machen an dieser Pflicht, daß sie oft eine mühselige ist, daß die Be- ziehung zu den Verwandten oft dem Glanze des Hauses Abbruch thut. Es ist kein Nachteil, sondern ein Vorzug dieser gegebenen Verkehrs- beziehungen vor den frei gewählten, daß sie nicht ohne zwingenden Grund abgebrochen werden können; bleibende Verhältnisse fordern dringender zu dem Versuch auf, ihnen ergiebige Seiten abzugewinnen, als zeitweise Verbindungen; der Stolze und Hochgewachsene sucht den Gebückten aufzurichten, der Starre versteht sich zu Nachgiebigkeiten, der Träge läßt sich zur Thätigkeit spornen, der jugendlich Ungeduldige be- quemt sich dem Älteren, wenn beide einer Gemeinschaft nicht entfliehen können, welche das Herkommen des Hauses heilig hält.*)------------- Der fest gewahrte und nach außen kenntlich gemachte Charakter giebt dem Hause seine Bedeutung im Kreise der Freunde, seinen Ein- fluß auf die Gesellschaft. Die Freunde des Hauses sind nicht die Jugendfreunde, nicht die Geschäftsfreunde, nicht die politischen Freunde, nicht die befreundeten Kameraden oder Kollegen der einzelnen Ange- hörigen; es sind die Personen und die Familien, durch deren verwandte Sinnesrichtung das Hans seine eigene bestätigt und gekräftigt sieht, es sind die in ernsten und in frohen Stunden gern gesehenen Gäste, deren Freude an der eigentümlichen Beschaffenheit und Art des Hauses von gleicher Gesinnung erwidert wird. Manche Persönlichkeit wird uns erst bedeutend und sympathisch, wenn wir sie in ihrem eigenen Hause sehen; ebenso kann der Geist eines Hauses uns abstoßen, während wir dem einzelnen Mitglieds in anderen Beziehungskreisen gern begegnen möchten; oder das Hans kann sich ablehnend zu Persönlichkeiten ver- halten, welche dem einzelnen Angehörigen wert sind. Bei wahrer und gefestigter Vereinigung der Familienglieder stimmen Sympathie und Antipathie im Gebiet des eigentlich Persönlichen überein; wo das sitt- liche und ästhetische Feingefühl des einen sich verletzt fühlt, fühlt auch ') Folgen noch einige Betrachtungen in der gleichen Richtung.
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