Anfrage in Hauptansicht öffnen

Dokumente für Auswahl

Sortiert nach: Relevanz zur Anfrage

1. Teil 2 - S. 135

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Konrad Ferdinand Meyer: Gedichte 135 4. Schutzgeister. (Goethe-Jahrb. 1887.) Nahe wieder sah ich glänzen meiner Firne scharfe Grenzen, meiner Alpen weiße Bünde, wurzelnd tief im Kern der Schweiz; 5 wieder bin ich dort gegangen, wo die graden Wände hangen in des Sees geheime Gründe mit dem dunkelgrünen Reiz. Nimmer war ein Tag so helle, io niemals reiner meine Augen, Erd' und Himmel einzusaugen; meine Schritte gingen sacht. Schauend pilgert' ich und lauschte, weil ein guter Weggeselle i5 heimlich Worte mit mir tauschte von der Berge Herzensmacht. Traulich fühlt' ich seine Nähe, und mir ward, ob ich ihn sähe. Und er sprach: „Vor manchen Jahren so bin ich rüstig hier gereist, hier geschritten, dort gefahren!" Und er lobte Land und Leute, daß sich meine Seele freute an dem liebevollen Geist. 25 Und er wies auf ein Gelände: „Hier an einem lichten Tage fand ich eure schönste Sage, und ich nahm sie mit mir fort. Wandernd hab' ich dran gesonnen; 30 was zu bilden ich begonnen, legt' in Schillers edle Hände nieder ich als reichen Hort." Da er seinen Bruder nannte und mir drob das Herz entbrannte, 35 war's, als schlügen weite Flügel sausend über mir die Luft, Schwingen, die den Raum besiegen, wie sie nicht um niedre Hügel flattern, Schwingen, die sich wiegen, io herrschend über Berg und Kluft. Selig war ich mit den beiden; Dämmerung verwob die Weiden, und ich sah zwei treue Sterne über meiner Heimat gehn. Leben wird mein Volk und dauern 45 zwischen seinen Felsenmauern, wenn die Dioskuren gerne segnend ihm zu Haupte stehn. 5. Reisephantasie. Mittagsruhe haltend aus den Matten in der morschen Burg gezacktem Schatten, vor dem Türmchen eppichübersponnen, hab' ich einen Svmmerwunsch gesonnen, während ich eineidechsschwänzchenblitzen 5 sah und husch! verschwinden durch die Ritzen.. . Wenn es lauschte . . . wenn es meiner harrte. . . wenn — das Pförtchen in der Mauer knarrte. . . dem Geräusche folgend einer Schleppe, fänd' ich eine schmale Wendeltreppe 10 und, von leiser Hand emporgeleitet, droben einen Becher Wein bereitet . . . Dann im Erker säßen wir alleine, plauderten von nichts im Dämmerscheine, bis der Pendel stünde, der da tickte, 15 und ein blondes Haupt entschlummernd nickte; unter seines Lides dünner Hülle regte sich des blauen Quelles Fülle. . . und das unbekannte Antlitz trüge Ähnlichkeiten und Geschwisterzüge 20 alles Schönen, was mir je entgegen trat ans allen meinen Erdewegen . . . was ich Tiefstes, Zartestes empfunden, wär' an dieses blonde Haupt gebunden und in eine Schlummernde vereinigt, 25 was mich je beseligt und gepeinigt. . . dringend hätt' es mich emporgerusen dieser Wendeltreppe Trümmerstufen, daß ich einem ganzen, vollen Glücke stillen Kuß auf stumme Lippen drücke ... 30 einmal nur in einem Menschenleben — aber nimmer wird es sich begeben!
   bis 1 von 1
1 Seiten  
CSV-Datei Exportieren: von 1 Ergebnissen - Start bei:
Normalisierte Texte aller aktuellen Treffer