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1. Teil 2 - S. 143

1914 - Leipzig [u.a.] : Teubner
Konrad Ferdinand Meyer: Briese. Erinnerungen an Gottfried Keller 143 doch in einem früheren Briefe von Weib und Kind. Sie müssen auch Kinder haben; sind sie auch selten Erben des Genius: zum Glück, zur menschlichen Völligkeit gehören sie. Auch ich habe mich danach gesehnt wie nach nichts anderem, mir eines zulegen zu dürfen. Aber ich war allezeit neben absterbendes Leben gestellt, und erst im Alter ist mir die Sehnsucht in Erfüllung gegangen. Freilich nur halb und halb; denn das 5 verwaiste Brudersöhnchen, das mir im Herzen liegt tvie ein eigenes, lebt nicht unter meinen Augen, und ich habe nur indirekten Einfluß auf seine Erziehung. Kürzlich jedoch habe ich von Erfurt aus den fünften Geburtstag des Männchens mitgefeiert und von seiner Mutter mir mancherlei von Männedorf erzählen lassen, in dessen Sphäre sie sich geistig heimisch fühlt. So habe ich denn auch eine Vorstellung von der 10 Schwester gewonnen, die Ihnen „über alles teuer" ist. Ein seltenes Glück! Die Geschwisterliebe, die wahre, reine, begierdelose, ist mir gar seltsam vorgekommen, will sagen: dauernd. Das frühe Naturband lockerte und löste sich am eigenen Herd. Wenn Sie mich wieder einmal mit einem Wort beglücken, vergessen Sie ja nicht, mir Ihre Kleinen abzumalen. 15 3. Luise v. Francois an Marie v. Ebner Eschenbach. 10. September 1892. Anfangs der neunziger Jahre waren die „dunklen Vorboten" der Geisteskrankheit nicht mehr zu bannen. ... Sie ahnen wohl, welche Erschütterung in mir nachwirkt: das Schicksal Meyers. Ich kenne es nur aus Zeitungsnachrichten; er selbst hat mir seit Neujahr nicht mehr geschrieben, und ich war geziementlich so bescheiden, ihn nicht an mich zu erinnern. Einer Wiener Notiz zufolge, die auch in unsere Blätter übergegangen ist, hat Ge- 20 dankenüberanstrengung sich an ihm gerächt. Aber nein: es ist ja ein Muttererde, das ihn schon früher zeitweise unterjochte. Wird er, kann er im nahenden Greifen- alter es noch einmal überwinden? Hätte ich die Kunde von seinem Tode erhalten, es wäre mir ein schwerer Verlust gewesen in meinem Alter, wo man nur noch wenig zu verlieren hat: der bedeutende Dichter, der edle, wahrhaftige Mensch und, so selten 25 wir uns mit Augen gesehen, der vertrauende Freund. Aber ich hätte ihm das Ende vor dem heranschleichenden Alterselend gegönnt: er krankte körperlich, er ahnete den Tod, ersehnte ihn vielleicht: „Ich sehe dich, Schütze, triff mich ins Herz ..." Gott helfe und erlöse ihn! So oder so .... 30 Ii. Erinnerungen an Gottfried Keller. (Deutsche Dichtung. Ix. Band. Berlin 1891.) Die „Deutsche Dichtung" ersucht mich unr einige Aufzeichnungen über Keller in der natürlichen Voraussetzung, daß wir uns als Landsleute nahestanden. Das war nun nicht der Fall; doch haben wir uns immerhin gekannt, und es fand zwischen uns ein freundliches Verhältnis statt. Er zeigte sich mir immer — oder fast immer — liebenswürdig und geistreich unterhaltend, womit ich mich gerne zufrieden gab. 5 Meinerseits begegnete ich ihm stets mit Ehrerbietung und hielt diesen Ton fest, wenn er auch gelegentlich darüber spottete und einmal einen „in Ehrerbietung" unter- zeichneten Brief mit „in Ehrfurcht" erwidert hat.
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