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1. Teil 7 = (Für Prima) - S. 83

1906 - Leipzig : Freytag
83 letzten Worte waren auf die Frage seines Arztes, ob er noch etwas wünsche:' „Nichts als den Himmel! Darum lasset mich zufrieden, störet ineine süße Ruhe nicht!" So trägt Melanchthons Leben einen tragischen Zug: der Mann des Ge- dankens und der Wissenschaft, der in den lärmenden Strom einer gewaltigen Umwälzung, der Mann des Friedens und der Versöhnlichkeit, der in den Kamps der Parteien hineingerissen wurde, und erst im Tode die Ruhe fand, die er sein Leben lang vergeblich ersehnt hatte. Aber dieses tragische Leben ist der Sache, der es diente, dem Volke, dem es angehörte, im höchsten Sinne des Wortes zugute gekommen. Gelang es Melanchthon nicht, die neue Lehre mit dem Geiste der Ver- söhnung und der Duldung zu erfüllen, der ihn selbst beseelte, so gelang es ihm doch, ihr den Geist der Wissenschaft zuzuleiten, die ec beherrschte. Es ge- lang ihm, weil er hier auf ernem Gebiet arbeiten durfte, wo ihm die feind- seligen Mächte der Unduldsamkeit und der Engherzigkeit nicht entgegentraten: dem der Jugendbildung. Neben allen Arbeiten und Kämpfen auf theologischen! Gebiet hat Melanchthon die Beschäftigung mit den humanistischen Studien, zu denen ihn sein Herz hinzog, niemals fallen lassen. Aber er hat auch zu alleu Zeiten und unter den ungünstigsten Verhältnissen daran festgehalten, seinen Schülern und Hörern diese Studien nahe zu bringen. Immer wieder, in einer Unzahl von akademischen Reden und Schriften, wies er darauf hiu, wie not- wendig es auch für den Theologen sei, in die Sprachen und Literaturen des Altertums einzudringen. Wenn es eine Zeitlang scheinen mußte, als ob unter den Stürmen der kirchlichen Erneuerung das Interesse für das Altertum und die humanistischen Studien gänzlich absterben würde, so ist es vor allem Melanchthons Be- mühungen zu danken, daß sich dieses Interesse wieder hob, und daß die evan- gelischen Theologen, die an Stelle des katholischen Klerus traten, diesen au wissenschaftlicher Bildung bei weitem übertrafen. Wie einst sein Oheim Reuchlin von den Humanisten als ihr gemeinsamer Vater begrüßt worden war, so ist Melanchthon der Vater eines protestantischen Humanistengeschlechts geworden, das die Schulen und das Geistesleben der Zeit zu leiten imstande war. „Als Melanchthon", sagt Paulsen, „nach zweiundvierzigjähriger Wirksamkeit starb, da wird es nicht viele Städte im protestantischen Deutschland gegeben haben, in denen nicht ein Lehrer oder Pfarrer den Tod seines Lehrers und vielleicht auch seines persönlichen Beraters und Leiters betrauerte. Denn in einem wahr- haft erstaunlichen Umfang hat Melanchthon auch in den persönlichen Lebens- weg seiner Schüler eingegriffen. Wo immer ein Fürst für seine Universität einen Professor, eine Stadt für ihre Schule einen Rektor oder Lehrer suchte, da war ihr erster Gedanke, Melanchthon um seinen Rat zu bitten." Aber Melanchthon hat nicht nur der künftigen Generation ihre Lehrer vorgebildet; er hat auch den gelehrten Unterricht auf der Schule und der Universität in einer Weise organisiert, die aus Jahrhunderte hinaus maßgebend 6*
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