1911 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: Lorentzen, Theodor, Meyer, Alfred Gustav, Weise, Paul, Rode, Albert, Nagel, Louis
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Oberrealschule, Realgymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Prosal,est Vii,
ein ruhiges Heim zu bereiten. Shakespeare hatte in London die Heimat
und die Seinigen nie aus den Augen verloren; sobald er es vermochte,
hatte er die Seinigen an seinem beginnenden Wohlstand teilnehmen
lassen, zweifellos auch häufiger sie auf längere oder kürzere Zeit besucht.
Bereits im Jahre 1597 aber begann er sich in Stratford anzukaufen,
den Plan vorzubereiten, den er dann nicht wieder fahren ließ. Und
gegen das Jahr 1609 — etwas früher oder später — gelangte der-
lange gehegte Lieblingsgedanke endlich zur Verwirklichung. Der Dichter
verließ die Bühne und die Großstadt und zog sich nach seiner stillen
Heimat, zu Wald und Wiese, §u Frau und Kindern und Enkelin zurück,
um die ihm noch beschiedenen Tage in edler Muße und ruhig beschau-
lichem Gennß zu verleben. So schloß sich das Ende seines Lebens
wieder dem Anfang an, zur schönen Vollendung des Kreislaufes.
Shakespeares Leben, mit dem seiner dramatischen Zeitgenossen ver-
glichen, ist ebenso einzigartig, wie seine Werke sich unter den ihrigen aus-
nehmen.
Er ist der einzige unter ihnen, der keine akademische Erziehung genossen
hat, der in einfachen Verhältnissen, in vertrautem Verkehr mit der Natur
groß geworden ist, seine Bildung mehr dem Leben als der Schule verdankte.
Früher als einer von den anderen hatte Shakespeare dem Ansehen nach
seine Zukunft gestaltet: in einer Weise, die nichts Großes für ihn er-
hoffen ließ. Aber das, woran ein anderer zugrunde gegangen wäre,
wurde ihm nur ein Sporn, ein neues Lebensblatt mit frischem Mut zu
beginnen. Enger als irgendeiner seiner dramatischen Nebenbuhler schloß
Shakespeare sich in London dem Bühnenleben an. Aber weit entfernt,
in dem lockeren Getriebe, wie so viele andere, an Seele und Leib zu
verderben, erwuchs er zum Manne, zum Künstler und Dichter, zur
geistigen und auch zur materiellen Selbständigkeit und Unabhängig-
keit. Wohlhabend, angesehen, berühmt, verließ er dann in der Kraft
seiner Jahre das Theater und die Großstadt, um als Landedelmann in
der Heimat seine Tage zu beschließen.
16. Warum liât Molière keine „Jugenddramen" geschaffen!
Max I. Wolfs, Molière, Der Dichter und sein Werk. (München 1910,
C. H. Becksche Verlagsbuchh.)
Es ist erstaunlich, in wie späten Jahren Moliöres dichterische Be-
gabung zum Durchbruch kam. Wenn wir die undatierten, unselbständigen,
und ihrer Autorschaft nicht einmal sicher beglaubigten, kleinen Jugend-
schwänke außer acht lassen, so ist der „Étourdi“ sein erstes Werk, und
damals zählte der Verfasser mehr als dreißig Jahre. Und selbst diesem
Drama fehlen die eigentlich jugendlichen Züge, es ist kein Gemisch von
äußerer Unfertigkeit und innerer Genialität wie Goethes „Gvtz", Schillers