1911 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: Lorentzen, Theodor, Meyer, Alfred Gustav, Weise, Paul, Rode, Albert, Nagel, Louis
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Oberrealschule, Realgymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
K. Lohmann, Stein und Arndt.
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41. Stein und Arndt.
Karl Lohmann, Geschrieben 50 Jahre nach dem ersten Erscheinen von E-M.arndts
„Wanderungen und Wandlungen mit dem Reichsfreiherrn Karl vom Stein."
(Hamb. Nachr. 2. Febr. 1908.)
„Was ist des Deutschen Vaterland?" Diese Frage klingt uns aus
dem herrlichen Liede E. M. Arndts entgegen. Dringender, immer
dringender erhebt sie der Dichter, und findet endlich in Jubel und Be-
geisterung die stürmisch fordernde Antwort: „Soweit die deutsche Zunge
klingt! Das ganze Deutschland soll es sein!" Ähnlich hat der Reichs-
freiherr Karl vom Stein einmal gesagt: „Ich habe nur ein Vaterland,
und das heißt Deutschland, und nur ihm und nicht einem Teil desselben
bin ich ganz ergeben!" Das sind gewiß Worte, die uns heute doppelt
aus dem Herzen gesprochen sind. Denn wir nennen unser, was jene
entbehrten; wir sind wirklich Söhne eines großen, geeinten, herrlichen
Reiches. Von solch stolzem Bewußtsein, das dem jüngeren und jüngsten
Geschlechte, soweit es überhaupt vaterländisch fühlt, in Fleisch und Blut
übergegangen ist, war vor hundert Jahren, im Zeitalter Napoleons I., gar
wenig zu spüren. Darum sind jene Worte Steins und besonders Arndts
auch mehr der Ausdruck des Glaubens an die zukünftige Größe und
Einheit des deutschen Vaterlandes, es sind Worte prophetischen, ahnungs-
vollen Schaums.
Es geschieht nicht ohne Grund, daß ich gerade diese beiden Männer,
Stein und Arudt, zusammen nenne. Denn trotz großer Gegensätze in
Herkunft, Stand und Berns sind sie lange zum Segen des Vaterlandes
zu gemeinsamem Werke verbunden gewesen: Stein, der hochgeborene
Reichsritter, dem das alte Wappenschild seines Geschlechtes mit den
Rosen und den Balken nicht weniger galt als die Württembergischen
Hirschgeweihe oder der sächsische Rautenkrauz. Arndt, der Sohn eines
bäuerlichen Vaters, der noch leibeigen gewesen war. Stein ein gewal-
tiger Staatsmann, Arndt, ein Mann des Volkes im besten Sinne des
Wortes. Stein, ein Mann der Tat, des praktischen Handelns, Arndt,
der Mann der Feder, der Schriftsteller, der kleine Professor. Wahrlich
Gegensätze genug, von denen jeder einzelne fast unüberbrückbar erscheint.
Was hat, so fragen wir, diese beiden Männer zusammengeführt und
unauflöslich in gegenseitiger Hochachtung und herzlicher Freundschaft
verbunden?
Das Schicksal war es, das Stein und Arndt aneinander kettete:
ihr eigenes, das Schicksal Preußens, Deutschlands, Europas. Und dieses
Schicksal hieß in ein Wort, in einen furchtbaren Namen zusammen-
gefaßt: Napoleon. Ihn, den Allgewaltigen, vor dem die Könige und
Fürsten des Erdteils sich in knechtischer Ehrfurcht und Anbetung neigten,
ihn hatten beide Männer mit tapferem Mute angegriffen. Stein, der
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