1911 -
Leipzig
: Dürr
- Autor: Lorentzen, Theodor, Meyer, Alfred Gustav, Weise, Paul, Rode, Albert, Nagel, Louis
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Höhere Lehranstalt, Oberrealschule, Realgymnasium, Realschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Alle Zeiten
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Prosaheft Vii.
Lebens" vergessen. Stein war als Bevollmächtigter Kaiser Alexanders
gekommen, um die Hilfsquellen Ost- und Westpreußens sür die gute
Sache nutzbar zu machen. Er berief den Landtag der Provinz; die
Bewaffnung der Nation, die Errichtung einer Landwehr und eines
Landsturmes war es, was er wollte; ein Volkskrieg sollte gegen Napo-
leon entstammt werden. Und der Landtag versagte nicht. Die arme,
gänzlich ausgesogene, niedergetretene Provinz war zu jeglichem Opfer
bereit und beschloß im Geiste Steins. Arndt aber, wie kaum ein zweiter
berufen, als Mann des Volkes unmittelbar auf das Volk zu wirken,
erhielt von Stein den Auftrag, die Bevölkerung über diese neue Ein-
richtung aufzuklären, und er tat es gern im Sinne seines Herrn und
mit gewohnter Meisterschaft. „Was bedeutet Landsturm und Landwehr?"
so lautete der Titel seiner neuen Schrift. Ein waffengerüstetes, waffen-
geübtes Volk, die Bewaffnung aller deutschen Männer ohne Unterschied
des Standes und des Berufes vom sechsundzwanzigsten bis zum sech-
zigsten Lebensjahre, das sind Steins und Arndts Forderungen. Ist aber
der Krieg mit Gottes Hilfe siegreich beendet, dann sollen Landwehr und
Landsturm nicht aufhören. Als bleibende Einrichtung können sie viel-
leicht zwei Drittel des stehenden Heeres unnötig machen und dadurch
unendliche Lasten vom Rücken des Volkes wälzen.
Der Freiheitskampf begann. Stein, nunmehr Mitglied des Ver-
waltungsausschusses für die eroberten Gebiete, konnte die Hilfe seines
treuen Mitarbeiters nicht entbehren; in Dresden, in Reichenbach, in
Leipzig, in Frankfurt ist Arndt um den Minister gewesen, der ihin wie
in St. Petersburg sein unbedingtes Vertrauen schenkte und sich bei wich-
tigen Sendungen seiner bediente.
Die Schlacht bei Leipzig wurde geschlagen, und der Dichter pries
die freundliche Lindenstadt ob ihres leuchtenden Ehrenmales. Aber was
das Schwert gut gemacht hatte, wollten Diplomaten verderben. Wenige
Wochen nach jenem glänzenden Siege bot Metternich Napoleon den
Frieden an, den Rhein als Grenze zwischen Frankreich und Deutschland.
Da regte sich Arndts deutsches Herz, und er machte seinem Unmut,
seinen Hoffnungen und Wünschen Luft in der berühmten Schrift: „Der
Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze." Das
Recht, die Politik, die Ehre und die Treue des deutschen Volkes erheben
gleichmäßig diese Forderung.
Dieselbe Forderung erhob unter den Diplomaten Stein, der alles
linksrheinische Gebiet, Elsaß und Lothringen für Deutschland zurück-
verlangte.
Dieses Ziel Steins und Arndts wurde freilich damals nicht ganz
erreicht. Aber Deutschland war doch frei geworden bis zum Rhein und
altes deutsches Land links vom deutschen Strom teilweise zurückgewonnen.
Von nun an trennte das äußere Leben die beiden gleichgesinnten Männer,