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1. Für Ober-Sekunda und Prima - S. 490

1911 - Leipzig : Dürr
490 Prosaheft Vil Dies geschah erst 1864 mit dem Tode Friedrichs Vii. Jetzt galt es zu handeln, jetzt war Schleswig-Holstein auch für den Zuschauer wieder „in Szene gesetzt". Mit einem Schlage erwachte die alte Be- geisterung aufs neue, und man vernahm das — für kurze Zeit — ganz wahre Wort: daß fortan in Sachen Schleswig-Holsteins alle Partei unter den Deutschen aufhöre, daß nur eine öffentliche Meinung bestehe. Übrigens hatte sich der allgemeine Standpunkt gegen früher nun- mehr völlig umgekehrt. Von 1845—48 half Schleswig-Holstein den Gedanken der strafferen deutschen Einigung wecken; 1864 hingegen war es das seit dem italienischen Krieg immer dringender gewordene Streben nach dem deutschen Bundesstaate, dem Reich, welches die gebildete Masse für Schleswig-Holstein begeisterte. Das Mittel war Zweck; die mut- maßliche Folge war Herr geworden über die bewegende Ursache. Preußen benutzte diesen Umschwung der öffentlichen Meinung mit großem Scharf- blick. Es zerhieb den Knoten der Rechtsfrage mit dem Schwerte, es zerhieb zugleich das Recht, wofür es anscheinend stritt. Die Erbfolge des Augustenbnrgischen Hauses wurde beseitigt und die politische Selb- ständigkeit der verbundenen Herzogtümer obendrein. Was tausend Rechtsdeduktionen verlangt hatten, das wurde nicht erfüllt; aber was im Liede gesungen war, was die Gefühlspolitik der deutschen Volks- stimme gefordert hatte, das erfüllte sich. Das meerumschlungene Land blieb „deutscher Sitte hohe Wacht"; ungeteilt blieb die „Doppeleiche unter einer Krone Dach", „das Vaterland wankte nicht", — alles, wie's im Liede steht; der Dänentrotz war gebrochen, die fremden Einspruchsgelüste be- seitigt, dem deutschen Reiche, der deutschen Seemacht eine neue Zukunft vorbereitet. Zwar in den Herzogtümern vergaß man nicht sofort das genaue Recht, um das man eigentlich gekämpft hatte; aber das allgemeine Ziel war erreicht, der nationalen Begeisterung ein Genüge getan, und also beruhigte sich auch die öffentliche Meinung. Sie schloß ab mit ihrem „Schleswig-Holstein", weil die ungelöste Rechtsfrage, unverständ- lich für die meisten, mit dem Nordbunde, mit dem neuen Reich abschloß, wofür man im Herzen ein Verständnis fand. Und nun wiederhole ich meinen Satz: „Die Politik des Verstandes muß sich erst zur Gefühlspolitik verdunkeln und verklären, um von der öffentlichen Meinung durchgreifend erfaßt zu werden." Er wird jetzt nicht mehr paradox erscheinen. Ich spreche da ein verspottetes und verpöntes Wort gelassen aus — Gefühlspolitik! Als den wahren Drachentöter der deutschen Gefühlspolitik nennt man den Fürsten Bismarck. Er soll die reine Realpolitik an ihrer Statt auf den Thron gehoben haben, die Staatskunst, welche nur auf Tat- sachen fußt, mit Tatsachen rechnet, nicht mit Stimmungen, Gefühlen, Leidenschaften. Und wirklich ist er der große Realpolitiker; er wurde
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