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1. Theil 6 - S. 325

1874 - Leipzig : Brandstetter
und die engen, dunklen Schluchten, die selten sich weit genug ausdehnen, um dem Landmanne nützlich werden zu können, sind hoch mit seinen Trümmern überschüttet und bieten nur verküm- merte Sträuche oder vereinzelte Pflanzen, die auf solchem Boden sich nie zu einer saftigen Trift vereinigen können. Von alle dem, wodurch der Mensch das Ansehen einer Landschaft ver- ändert und verschönert, seinen heimischen Dörfern und geschäftigen Städten, seinen Kunststraßen und wohlangebauten Feldern, ent- halten die einsamen Anden keine Spur. Der Ruf der Sennen- hirten begrüßt nicht den Wanderer, wenn er am frühen Morgen die steilen Bergseiten erklimmt, und des Abends tönt nicht aus dem Thale dem Heimkehrenden das friedliche Geläute einer Vesperglocke entgegen. Unfähig, in ihrem Schoß eine Bevöl- kerung zu erhalten, werden die Anden nie anders als in ihrer starren Regungslosigkeit erscheinen können, und dieser Charakter, den man selbst in den Einzelnheiten verfolgt und so schwer mit Worten schildert, wird derselbe bleiben, bis die langsam, aber sicher wirkende Naturkraft im Laufe der Jahrtausende, durch Ver- änderung des Klima's und die gradweise Zerstörung der Ober- fläche, auch diese Gebirge fähig macht, Schauplätze menschlichen Fleißes zu werden. Wenn manche Einzelnheiten der Anden, ihre Felswände, die nur unbemerklich von der senkrechten Richtung abweichen und doch unzerrissen zweitausend Fuß sich erheben, ihre Schluchten, die so oft über fünftausend Fuß tief sind, wenn diese die Aufmerksam- keit fesseln und die Phantasie mit ihrer Schauerlichkeit aufreizen, so tritt später der kalt richtende Verstand in seine Rechte ein, und veranlaßt durch ruhigere Erwägung großartiger Thatsachen eine ernste Bewunderung. Diese Anden, die man, innerhalb ihres Schoßes lebend und von ihren gigantischen Wänden um- geben, nie richtig beurtheilt, und von deren Größe man nur in bedeutender Entfernung erst eine gerechte Idee erhält, erstrecken sich in ununterbrochenen Reihen über sechzig Breitengrade, und messen selbst im nördlichen Chile, wo sie als eine einzige Kette auftreten noch mindestens zwanzig Meilen auf dem Querdurch- messer ihrer Grundfläche. Selbst ohne an die gründliche Lösung der Frage zu gehen, wie groß die Oberfläche sei, die sie bedecken, staunt man über die Resultate einer flüchtigen Berechnung, und staunt noch mehr, wenn man bedenkt, daß ihre mittlere Höhe, vermöge einer Menge von Beobachtungen, in Chile nicht geringer als zwölftausend Fuß angenommen werden könne.
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