1904 -
Leipzig
: Brandstetter
- Autor: Lüben, August, Nacke, Carl
- Hrsg.: Huth, H.
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Mittlere Lehranstalten
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
- Schulformen (OPAC): Bürgerschule
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Neuzeit
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allein man kannte die Kunst noch nicht, diese durch eine weitere Zir-
kulation 2) wieder zu Gegenständen des Handels zu machen. Der Geld-
handel im großen, wie er gegenwärtig ist, steht außerdem in einer zu
genaueil Verbindung mit dem öffentlichen Kredit der Staaten, be-
sonders der großen Handelsstaaten, und ist erst eine Folge der Kunst
gewesen, auf die der menschliche Geist vielleicht am meisten raffiniert3)
hat, öffentliche Schulden auf die möglichst vorteilhafte Art zu machen
und wieder abzutragen. Diese Kunst blieb unbekannt in der alten
Welt, weil sie überflüssig war. Die damals so viel geringeren Staats-
ausgaben wurden entweder durch aufgelegte Tribute bestritten oder
auch in außerordentlichen Fällen, wenigstens in Freistaaten, durch
freiwillige Anleihen von Bürgern, die man zurückzahlte, aber die kein
Gegenstand einer kaufmännischen Spekulation werden könnten. Der
eigentliche Wechselhandel aber setzt ein Wechselrecht voraus und kann
schwerlich ohne regelmäßig eingerichtete Posten bestehen, weil alles
dabei auf eine sichere, schnelle und häufige Korrespondenzz ankommt.
Es ist zwar sehr verkehrt, wenn man eine plötzliche Aufhebung unserer
Posteinrichtungen annimmt, und aus der Stockung, die alsdann ent-
stehen müßte, auf die geringe Lebhaftigkeit des alten Handels zurück-
fchließen will; (denn die Aufhebung einer schon bestehenden Einrich-
tung ist immer mit weit größeren Unbequemlichkeiten verbunden als
ihr gänzlicher Mangel, wo sich vor: selbst andere Ersatzmittel zu finden
pflegen;) aber daß gewisse Zweige unsers Handels lediglich von den
Posteinrichtungen abhangen und durch sie erst möglich geworden sind,
bleibt darum nicht minder eine ausgemachte Sache.
Die größere Einfachheit des alten Handels, indem er nur im
Kauf und Verkauf der Waren bestand, zeigt sich auch darin, daß nicht
so viele und so verschiedene Klassen von Teilnehmern dabei beschäftigt
waren wie gegenwärtig. Zwar muß man auch hier nicht zu absprechend
in seinen Behauptungen sein. Wer kann uns noch mit Gewißheit
darüber belehren, wie es in einem großen phönizischen oder karthagi-
schen Handelshause aussah? Daß iit den großen Handelsländern der
Handel auch außer den eigentlichen Kaufleuten eine große Menge
von Menschen, von Zwischenhändlern u. s. w. beschäftigte, sieht man
an mehreren Beispielen, wie z. B. der Kaste der Dolmetscher oder
Mäkler in Ägypten; und überhaupt bürgt uns die Unveränderlichkeit
der Sitten und des ganzen gesellschaftlichen Lebens im Orient wohl
dafür, daß auch die Einrichtungen des Handels sich hier wenig geändert
haben. Die Verschiedenheit findet sich also nur hauptsächlich zwischen
der Form des jetzigen und des alten europäischen Handels. Wahr-
2) Kreislauf, Umlauf. 3) uachgesonueu. 4) Briefwechsel, brieflicher Verkehr.