1884 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
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sprünglich Altbayern zu seiner Wiege; immerhin ist das Dankschreiben des
Abtes Gozbert von Tegernsee (982—1001) an den Grafen Arnold für
derlei übersandte Fenster die älteste Urkunde, welche desselben gedenkt.
Es entwickelte sich eine ordentliche Kunstschule, und die „Glashütte" bei
Kreut sah aus ihrem Glühofen die bewunderten Bilder in vollster Farben-
pracht hervorgehen. Unter Abt Beringer (ch 1012) nahm die Anstalt einen
solchen Aufschwung, daß der Bischof von Freising, eine Äbtissin und
Klöster und Kirchen des Umlandes Bestellungen in Hülle und Fülle
machten. Fünf Münstcrfenster nach den Kompositionen des Bruders
Wernher bildeten den Stolz der Abtei; noch haben Glasgebilde ans dieser
Werkstätte sich im Dom zu Augsburg erhalten.
Wir staunen über die Schöpfungen des Mittelalters, wie das Him-
melslicht im Glasgewirke zauberhaft gebunden die heiligen Gestalten zur
hellsten Verklärung bringt, und die Strahlenbündel der Sonne einen
bunten Teppich über den Tempelestrich breiten; wir staunen aber nicht min-
der, daß trotz der wunderbarsten Entwicklung dieses Kunstfaches ein
schließlicher Verfall bis zur Vergessenheit eintreten konnte. Während Glas-
malereien dürftig noch in England gefertigt wurden, verkam dies Fach
ans dem Kontinente, weil man ihren Charakter verkannte und die Öl-
malerei nachahmen wollte. Die technischen Fertigkeiten gingen bei der
üblichen Geheimthnerei zugleich mit dem guten Geschmacke verloren, so die
Bereitung des schönen grünen Glasflusses; die Herstellung des Schwarz-
lothes blieb noch einzelnen bekannt. Zum Glück rettete die in letzter Zeit
schwunghaft betriebene Porzellanmalerei einen Teil der Glasmalertechnik:
die Vorliebe für diese war in der Zopfzeit erloschen, die Aufklärung wollte
von der mittelalterlichen Verfinsterung durch farbige Fenster nichts mehr
wissen. Man zerschlug sie oder überließ sie dem Glaser und zahlte ihm
noch die Rechnung für farbloses Fensterglas.
Bei einem solchen Glasermeister in Nürnberg kaufte zu Anfang dieses
Jahrhunderts zufällig ein Engländer alte und defekte Glasbilder für
namhaften Preis, wobei der Verkäufer äußerte: der könnte ein reicher
und berühmter Mann werden, wer die Kunst, Glas zu malen, wieder
erfände! Dies hörte Siegmund Frank mit an, eines Viktualien-
händlers Sohn, der sich mit Zeichnen, Dosenmalen und einer kleinen
Porzellanmanufaktur befaßte: da ging ihm der Stern seines Berufes auf.
Nach vier Jahren war sein weniges Vermögen auf der Neige, und
noch brachte er es mit fortgesetzten Versuchen erst zu unvollkommenen Ar-
beiten: endlich lief Bestellung auf eine Reihe Wappen für das Schloß
Greifenstein, dann auf 150 Glasbilder für eine englische Kunsthandlung
ein, und 1807 malte Frank ans freien Stücken das bayerische Wappen,
wofür ihn König Mar I. nicht nur königlich honorierte, sondern ihm auch