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1. Mancherlei für Jung und Alt - S. 76

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
76 Nächte ohne Unterbrechung dauerten. Zahllose Fackeln beleuchteten in der Nacht das Kolosseum und machten den ganzen Eindruck noch milder, noch grauenhafter, noch barbarischer. Man aß, man trank im Kolosseum, um ja keinen kostbaren Augenblick zu verlieren. Es ist berechnet worden, daß die Römer zwei Dritteile des Jahres im Amphitheater und im Cirkus zubrachten. In jeder bedeutendern Stadt ihres ungeheuren Reiches bauten sie Amphitheater, hatten sie Kampfspiele. Je allgemeiner diese wurden, desto mehr steigerte sich die Begier nach ihnen. Anfangs schenk- ten die Triumphatoren, die reichen römischen Bürger, die Kaiser dem Volke von Rom fünfzig Paar Gladiatoren; dann ging es in die Hun- derte und Tausende. Trajan gab 10 000. Wieviel Domitian und Heliogabal gegeben haben, ist gar nicht zu zählen. Julius Cäsar hielt auf seine Kosten eine Schule für Gladiatoren, und Augustus und nach ihm alle Kaiser behielten dies Institut bei. In demselben Maßstab mußten auch wilde Tiere dem Volke geschenkt werden. Scipio Nasica und Lentulus ließen sechzig Panther und vierzig Bären und Elefanten in ihren Spielen auftreten, Sulla hundert Löwen, Pompejus vierhundert Panther und sechshundert Löwen, Titus fünftausend verschiedene afrika- nische Bestien, Domitian tausend Hirsche, tausend Giraffen, tausend Strauße und eine entsprechende Anzahl wilder Tiere, um jene zu zerreißen. Die Provinzen des Römerreiches mußten schwere Kontributionen zahlen, um die ungeheuren Kosten der Spiele zu bestreiten, und die Statthalter mußten solche wilde Tiere anschaffen und nach Rom liefern, wie sie in ihren Statthaltereien heimisch waren. Der Transport und der Unterhalt dieser Tiere verschlang unglaubliche Summen und eine Verschwendung zog immer die andere nach sich. Einst wurde im Kolosseum ein Seetreffen aufgeführt; doch statt des Wassers war es mit Wein gefüllt, und sechs- unddreißig Krokodile und mehrere Hippopotamen kämpften mit Gladia- toren, die in Schaluppen auf diesem Weinsee schwammen. Hätte die Gewohnheit dieser gräßlichen Spiele nicht im römischen Volke jede Spur von menschlichem Gefühl ertötet, so hätten die Christen nimmermehr den Martern ausgesetzt werden können, die man über sie verhängte. Nun aber, da blutdürstige Schaulust immer stieg, da Sklaven, Verbrecher und Kriegsgefangene dem Bedürfnis nicht genügten, waren die Christen sehr willkommen, um eine Lücke auszufüllen. Der persön- liche Haß, den man gegen sie hegte, steigerte zwar die Freude an ihren Qualen, hatte aber längst seinen Vorläufer gehabt in der grenzenlosen Verachtung des Menschen und des Menschenlebens, die ans dem römischen Sklaventum hervorging, dessen Blüte die Spiele waren. Da trat diese Verachtung nicht in ihrer nackten Roheit auf, wie etwa, wenn Sklaven in den Fischteich geworfen wurden, um die Muränen zu mästen; sondern
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