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1. Mancherlei für Jung und Alt - S. 90

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
90 Doch in dem Werk zeigt sich der Väter Glauben, Ihr Hoffen, Lieben, Streben, Kämpfen, Ringen; Ein Gut, das ihnen niemand konnte rauben. So ruft ihr Geist im Stein den späten Söhnen: „Nicht zögert, freudig alles darzubringen, Wenn's gilt dem Ruhm des wahrhaft göttlich Schönen." Joh. Bapt. Diel. Die Demut. Demut, wer kennt, achtet, liebt sie nicht? Wir, die wir vom christ- lichen Geiste uns genährt haben, finden sie ganz natürlich, groß, edel, schön; und wenn auch tausendmal der Hochmut an unserer Seele nagt, so suchen wir ihn doch mit dem Schleier der Demut zu verhüllen. Ist doch selbst die bescheidene Höflichkeit der modernen gebildeten Welt nur eine Konvention, welche uns die Tugend ersetzen soll, falsche Demut, wie La Rochefoucault sagt, ein Tribut, den das Leben dieser Tugend zollt. So beherrscht sie zur Stunde noch die öffentliche Meinung. Fragen wir dagegen der besten einen aus der heidnischen Welt: Was ist Demut? Er hat keine Antwort, keine Vorstellung von einer Tugend, die dem Christen so geläufig ist, nicht einmal das Wort dafür. Es ist die Demut die schönste und liebenswürdigste, aber ebenso die schwerste aller Tugenden. Erst mit ihm ist sie auf Erden in ihrem ganzen Glanze erschienen, der, aller Größe sich entäußernd, Knecht aller geworden ist, um allen zu dienen, der allein darum sprechen konnte: Lernet von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. Sie ist die Frucht der wahren Erkenntnis seiner selbst, die erst das Christentum dem Menschen gebracht, seiner Niedrigkeit und Ohnmacht aus sich, seiner Größe und Hoheit durch Gottes freie Gnade. Sie ist die Wirkung der erhabenen Stellung, zu welcher das Christentum den Menschen erhoben, des erweiterten Gesichtskreises, in den er durch die Erkenntnis der ganzen Größe Gottes getreten. Der selbstzufriedene Stolz verkleinert die Idee von Gott und seiner Schöpfung, in der Demut dagegen ist Wahrheit. Und in der Demut liegt unsere Kraft. Es ist ein geheimnisvoller Trieb, ein unwiderstehliches Streben in des Menschen Brust, was die Phantasie des Jünglings erregt, des Mannes Thatkraft spornt; aber die Wirklichkeit, das Gefühl der eigenen Ohnmacht schmettert ihn nieder, und es sinkt bald zurück in starre Apathie das Herz, vordem so „trotzig" und bald so „verzagt". Nicht so der Demütige. Aus sich hat er nur Schwachheit, Zwiespalt, Sünde; er weiß sich entbehrlich für Gott und sein Reich, ein „unnützer Knecht", auch wenn er alles gethan, mit den reichsten Gaben ausgestattet, nicht auf diese in eitler Selbst- gefälligkeit den Blick richtend, sondern auf den, der sie ihm zu Lehen
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