1884 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
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des Lateinischen mächtig, und wußte gut und geläufig, ja auch witzig zu
sprechen, machte jedoch selten von letzterer Fähigkeit Gebrauch und war
auch in dieser Richtung, wie überall, bescheiden und anspruchslos. Jsa-
bella führte die Buchdruckerkunst nach Spanien ein, gründete Bibliotheken,
stiftete Akademieen und förderte die Wissenschaften aller Art; Elisabeth
dagegen wollte selbst gelehrt sein und war nach Humes Geständnis mehr
eine Prahlerin mit eigener Gelehrsamkeit, als eine Freundin der Wissen-
schaften. Darum schützte sie die Wissenschaften aus Eitelkeit, Jsa-
bella dagegen aus Achtung vor denselben und aus der Überzeugung von
dem hohen Einstuß, den sie ans das Glück und die Wohlfahrt eines Volkes
ausüben können.
Beide Fürstinnen zeigten Unduldsamkeit gegen Andersgläubige. Aber
während bei Elisabeth nur die Politik, nicht die Wärme der gläubigen
Überzeugung alle Verfolgungsbefehle diktierte, bewies Jsabella die Auf-
richtigkeit ihres religiösen Eifers durch innige Andacht, tugendreichen
Wandel und zahlreiche Werke der Barmherzigkeit, so daß notwendig ihre
Härte gegen Mauren und Juden tausendmal entschuldbarer ist, als die
kalte und grausame Verfolgung der Puritaner und Katholiken durch die
wahrscheinlich selbst überzeugungslose Elisabeth. Bei ihrer Thronbesteigung
noch hat letztere feierlich die katholische Religion beschworen und Auf-
rechthaltnng derselben eidlich gelobt, ja selbst wiederholt heuchlerisch die
katholische Kommunion empfangen, um bis zum gelegeneu Zeitpunkte ihre
unter Maria wieder katholisch gewordenen Unterthanen zu täuschen.
Als sie aber die Maske abwarf, erließ sie so bittere und blutige Straf-
gesetze gegen die Katholiken, und ließ dieselben mit solcher Grausamkeit
morden, daß selbst die Greuel der spanischen Inquisition dagegen erbleichen.
Güterkonfiskation war auf die erste, der Tod aber auf die zweite
Weigerung gesetzt, die Königin auch für das kirchliche Oberhaupt
Englands erkennen zu wollen, und die überfüllten Kerker, die immer
gebrauchte schreckliche Folter, die stets beschäftigten Galgen, die auf-
geschlitzten Leiber der Altgläubigen, die Vierteilungen und schändlichen
Verstümmelungen aller Art gaben unausgesetzt die unwidersprechlichsten
Belege von der Glaubensdespotie Elisabeths. Gewiß, wenn die Inqui-
sition unter Jsabella Tausende schlug, so hat die Reformation Elisabeths
Zehntausende geschlagen.
Die letzten Tage beider Fürstinnen waren von Kummer getrübt, aber
während Jsabella für die Zukunft des Reiches bangte, mit starkem, Hellem
Geiste ihre letzten Anordnungen traf und als fromme Christin, durch die
Segnungen der Kirche gestärkt, mit Mut und Fassung ihrem Tode
entgegenging, war Elisabeth in tiefen Kummer versunken, von bittern
innern Vorwürfen über die Hinrichtung ihres Günstlings gequält, durch