1884 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
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bekannt. Bei Nennung seines Geschlechtsnamens sagt er: Ich schreibe mich
so und so. Wird doch seines Geschlechtes Name wirklich nur geschrieben
bei kirchlichen oder gerichtlichen Verhandlungen und ähnlichen Gelegenheiten.
Seiner Freundschaft, den Nachbarn und allen Bekannten ist er immer
nur der Meier des Heims mit dessen ererbten Namen; und wird das-
selbe vererbt oder verkauft, das gilt gleich, der alte Name bleibt.
In ihrer Entstehung sind diese Namen jedoch sehr verschieden. Bauern-
höfe, ohnehin von stätigerem Wesen, haben meist Namen, deren Ursprung
sich sehr weit zurück verliert und oft mit der ältesten Besitzer Tauf- oder
Geschlechtsnamen in Verbindung steht. Besonders ist dies bei Einöden
der Fall, deren vorteilhaft geschlossener Besitz der Bauern höchstes Vor-
bild. Nicht ohne Grund sagen sie: „Vor einer Ainet soll man den Hut
herabthun."
Sonderbare Vorkommnisse, spöttische Nachreden, vorzüglich auch
gewerbliche Hantierungen haben vielfach bleibende Namen gegründet.
Auffallend klingen Benennungen, wenn, wie so häufig, der Gewerbe
mehrere einander angehängt sind. Heißt das Hans z. B. beim Metzger,
der Meier desselben ist aber gerade ein Weber, dann fügt man des
letztern Gewerbe dem ersten Namen bei und hängt dem Ganzen den
Taufnamen desselben an, so daß es dann beim Metzger-Weber-Simon
(Michel-Vincenz-Seppel oder wie er gerade getauft ist) heißt.
Dies Heim ist dem Bauern in Fleisch und Blut gewachsen, und die
Gründe, die dazu gehören, sind seiner Meinung nach allemal die besten
im ganzen Gefild. Nicht das kleinste oder schlechteste Stück davon giebt er
gerne her, denn das alles hat ja der Ähni schon so gehabt. Nur eines
von den Kindern kann dereinst das Heim erben, aber alle denken mit
Freude oder Wehmut, je nachdem dasselbe bemeiert wird, daran zurück.
In dem Worte: „Des is mei Haemet", und wenn es der roheste Bauern-
knecht sagt, liegt mehr Tiefe wahren Gefühls, als in dem schönsten Kling-
klang moderner Humanitätsphrasen.
Finden wir diese Liebe an die elterliche Herdstadt noch so innig und
warm, so wird es vielleicht auch erlaubt sein, daß einmal einer dies Haus
mit allem, was drum und dran hängt, beschreibe. Ich gebe es hier in
treuester Auffassung. Wenn ich vorzugsweise das Seldhaus zu Grunde
lege, so geschah es, weil dies einesteils die ganze ungeheure Mehrzahl
bildet, und andernteils, weil etwaige Verschiedenheit mit dem Bauernhöfe
nur in dessen größerer Räumlichkeit oder gegen Augsburg zu in städtischem
Anhängsel besteht, welch letzteres anzuführen nicht der Mühe wert ist.
Der mittlere Lechrain teilt sich bayerhalb in das Ober- und Unter-
land. Je nach dem Wohlstände seiner Bewohner sind die Häuser stattlich,
heimlich oder notig; die Stadeln und Stallungen großmächtig oder klein