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1. Mancherlei für Jung und Alt - S. 299

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
299 andern bewegte — war das Erstaunen seiner Zeitgenossen und nicht die letzte Ursache seiner Erfolge. Wie der Körper war der Geist. Sein bewunderungswürdiges Anschauungsvermögen offenbarte sich in der Sicher- heit und Ausführbarkeit all seiner Anordnungen, selbst wo er befahl, ohne mit eigenen Augen zu sehen. Sein Gedächtnis war unvergleichlich, und es war ihm geläufig, mehrere Geschäfte mit gleicher Sicherheit neben- einander zu betreiben. Obgleich Gentleman, Genie und Monarch, hatte er dennoch ein Herz. Solange er lebte, bewahrte er für seine würdige Mutter Aurelia — der Vater starb ihm früh — die reinste Verehrung; seinen Frauen und vor allem seiner Tochter Julia widmete er eine ehr- liche Zuneigung, die selbst auf die politischen Verhältnisse nicht ohne Rückwirkung blieb. Mit den tüchtigsten und kernigsten Männern seiner Zeit, hohen und niedern Ranges, stand er in einem schönen Verhältnis gegenseitiger Treue, mit jebejn nach seiner Art. Wie er selbst niemals einen der Seinen in Pompejns' kleinmütiger und gefühlloser Art fallen ließ und, nicht bloß aus Berechnung, in guter und böser Zeit ungeirrt an den Freunden festhielt, so haben auch von diesen manche, wie Aulus Hirtius und Gajus Matius, noch nach seinem Tode ihm in schönen Zeug- nissen ihre Anhänglichkeit bewährt. Es versteht sich von selbst, daß Cäsar ein leidenschaftlicher Mann war, denn ohne Leidenschaft giebt es keine Genialität; aber seine Leidenschaft war niemals mächtiger als er. Die Litteratur beschäftigte ihn lange und ernstlich; aber wenn Alexandern der homerische Achilles nicht schlafen ließ, so stellte Cäsar in seinen schlaflosen Stunden Betrachtungen über die Beugungen der lateinischen Haupt- und Zeitwörter an. Er machte Verse, wie damals jeder, aber sie waren schwach; dagegen interessierten ihn astronomische und natur- wissenschaftliche Gegenstände. Wenn der Wein für Alexander der Sorgen- brecher war und blieb, so mied nach durchschwärmter Jugendzeit der nüchterne Römer denselben durchaus. Noch in späteren Jahren blieb ihm eine gewisse Stutzerhaftigkeit im äußern Auftreten oder richtiger das erfreuliche Bewußtsein der eigenen schönen Erscheinung. Sorgfältig deckte er mit dem Lorbeerkranz, mit dem er in späteren Jahren öffentlich er- schien, die schmerzlich empfundene Glatze und hätte ohne Zweifel manchen seiner Siege darum gegeben, wenn er damit die jugendlichen Locken hätte zurückkaufen können. Wie gern er auch noch als Monarch mit den Frauen verkehrte, so hat er ihnen doch keinerlei Einfluß über sich eingeräumt. Cäsar war durchaus Realist und Verstandesmensch; und was er angriff und that, war von der genialen Nüchternheit durchdrungen und getragen, die seine innerste Eigentümlichkeit bezeichnet. Ihr verdankte er das Ver- mögen, unbeirrt durch Erinnern oder Erwarten energisch^ im Augenblick zu leben; ihr die Fähigkeit, in jedem Augenblick mit gesammelter Kraft
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