1884 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
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Flächen werden dann nur mit Lasurfarben ausgefüllt und hierbei ist es
nicht auf Harmonie und feine Verschmelzung der Farben abgesehen. Auch
hier strebt Dürer mehr nach Wahrheit als nach Schönheit. Trotz dieser
Mängel aber bleiben Dürers Werke immer Gebilde von hohem Werte,
Gebilde der kraftvollen, tiefsinnigen, wahren, reinen, deutschen Kunst!
Joachim Sighart.
Die Beduinen.
Die gesegneten Tage am Sinai waren zu Ende. Unser Scheikh st
Hussein, hatte aus dem Thal seiner Heimat bessere, kräftigere Kamele
mitgebracht. Am Morgen des 5. März wurden die Lasttiere unter großem
Gedränge der versammelten Beduinen beladen, dann bestiegen wir unsere
Dromedare und wählten den nächsten Weg vom Sinai nach dem Gelobten
Lande über Nnkhl. Am ersten Tage lagerten wir noch in dem Thale Es-
Scheikh an einer Stelle, wo sich bei vielen Tamarisken^ köstliches Futter
für die Kamele fand. Am nächsten Tage entfernte ich mich bald mit
meinem Gefährten von der übrigen Karawane, da uns Scheikh Hussein
zu einem Besuche in seinem Zelte eingeladen hatte. Auf seinem Dromedare
ritt er fröhlich singend voran. Es ging durch schmale, östliche Thäler
und durch enge Schluchten über steile Höhen, wie sie von Reisenden nicht
leicht besucht werden. Unter dichten Dorngesträuchen und Schlinggewächsen
wußte unser Scheikh verborgene Wasserbehälter zu ersehnter Erquickung
aufzudecken. Wir bewunderten die Geschicklichkeit und den sichern Tritt
unserer Dromedare, nur an wenigen Stellen waren wir genötigt, abzu-
steigen. Endlich gegen Mittag hatten wir einen engen Paß erstiegen
und befanden uns aus einer ausgedehnten Hochebene, die sich etwas
von Süden nach Norden hinabsenkt und schon auf die benachbarte Wüste
El-Tih blicken läßt. Vor uns erkannten wir zwei Reihen von Zelten;
triumphierend wies der Scheikh ans sie hin und bald hatte er uns in
sein Haus gebracht.
Es zeichnete sich durch seine Größe vor allen andern aus und war
von etwa 20 Zelten umgeben. Die Zelte werden aus dunkelbraunem
Zeuge bereitet, welcher aus Kamelhaaren gefertigt ist; sie werden über
vier oder fünf einfache Stangen gespannt, welche gegen sechs Fuß hoch
sind. Eine Zeugwand teilt das Zelt, welches nicht rund, sondern vier-
eckig , nach vorn offen ist, in zwei Teile, von denen der kleinere für
Weiber und Kinder bestimmt, der größere der Diwan3 des Mannes ist.
In dem großen Zeltzimmer unseres Scheikh ward ein Teppich unter uns 1
1 Scheikh — Vorsteher, Unterbefehlshaber einer arabischen Horde.
2 Ein strauchartiger, südlicher Baum.
2 Der Raum, wo man zusammensitzt, um Gespräch zu pflegen.