1884 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Bildungsstufen (OPAC): ISCED 3 – Sekundarstufe 2, Klassen 9/10/11 – 12/13
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Platanen und Ulmen sind seitdem zu prächtiger Höhe gediehen und bieten
täglich vielen römischen Familien Schatten, die hier ihren sauren Brunnen
trinken. Auch sonst erinnern manche Denkmale Noms an seinen könig-
lichen Bürger. Durch den Bildhauer Wolf ließ er 1857 eine kolossale
Marmorbüste Winckelmanns anfertigen, die in der Villa Albani auf-
gestellt wurde. Die Enthüllung fand in festlicher Weise in seiner Gegen-
wart statt; es beteiligten sich wohl hundert Künstler und Kunstfreunde.
Der König selbst sprach zuerst einige Worte: „Was Winckelmann geleistet,
schildern zu wollen, wäre überflüssig. Sein Wirken ist bekannt. Haben
Spätere gleich die Wissenschaft der Kunst, welcher er sein Leben geweiht,
ausgebildet, bleibt ihm doch das große Verdienst, den Grund dazu gelegt
zu haben. Keine Stelle dürfte aber seinem Denkmal sich besser eignen,
wie diese Villa, wo er so gerne verweilte, er, der von Nom aus die
Welt belehrte!" Nachdem auch von anderen die Bedeutung des Moments
hervorgehoben war, pflanzte Ludwig hinter dem Monumente einen Lor-
beerbaum, dessen Zweige es einst umschatten sollen. Auch eine Büste
Thorwaldsens wurde auf Ludwigs Befehl vor dem Palazzo Tomati auf-
gestellt, wo der große Künstler einst gewohnt hatte. Große Aufmerksam-
keit wendete der König den Ausgrabnngsarbeiten zu, für deren Förderung
er auch beträchtliche Summen beisteuerte. So oft er nach Rom kam,
suchte er die Katakomben, die Via Appia und andere Stätten auf, wo
eben gegraben wurde. Der päpstliche Kommissär Visconti war dabei
sein Cicerone.
Die dankbaren Künstler ließen ihren Mäcen nie aus Rom ziehen,
ohne ihm zu Ehren eines ihrer Feste zu veranstalten, die nur an den
Münchener Künstlerfesten ihresgleichen hatten. Besonders ein Fest im
Jahre 1855 rührte den Gefeierten tief, ein Erinnerungsfest, denn vor
50 Jahren hatte der damalige Kurprinz zum erstenmal die ewige Stadt
betreten. Wie vor 50 Jahren, so war auch diesmal wieder Graf Karl
Seinsheim sein Begleiter. Das Festmahl wurde im Gartenpavillon der
Villa Albani abgehalten. Da saß der König unter 60 Künstlern aller
Nationen.
Von Rom aus machte Ludwig kleinere und größere Ausflüge. Im
Jahre 1829 verweilte er mehrere Tage in Pompeji und erhielt einige
eben ausgegrabene Antiken zum Geschenke. Ein wertvolleres Geschenk
erbat er sich von seinem königlichen Vetter in Neapel, die Freilassung
von zwölf wegen Desertion gefangen gehaltenen Bayern. Auch noch im
Jahre 1867 widmete er zwei Tage dem Besuche Pompejis, in dessen
Tempeln und Theatern und Thermen er rüstig umherwanderte. „Hier in
der antiken Welt bin ich jung und spüre nichts von meinen Jahren!"
erwiderte er den um seine Gesundheit besorgten Begleitern. Im Jahre