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1. Mancherlei für Jung und Alt - S. 488

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
488 Handlungen ist jedoch selbst der Glänzendste hier seines Erfolgs nicht sicher, da die Ehrbarkeit ein bestimmtes Eingehen auf die Anträge des Braut- werbers verbietet, und jetzt beginnt die Aufgabe des Freiers. — Er tritt an einem Nachmittag in das Hans der Gesuchten, und zwar jedesmal unter dem Vorwände, seine Pfeife anzuzünden, — die Hausfrau setzt ihm einen Stuhl und scharrt schweigend die Glut auf, dann knüpft sie ein gleichgültiges Gespräch an vom Wetter, den Kornfrüchten rc. und nimmt unterdessen eine Pfanne vom Gesimse, die sie sorgfältig scheuert und über die Kohlen hängt. Jetzt ist der entscheidende Augenblick gekommen. — Sieht der Freier die Vorbereitungen zu einem Pfannenkuchen, so zieht er seine dicke, silberne Uhr hervor und behauptet, sich nicht länger, aufhalten zu können; werden aber Speckschnitzel und Eier in die Pfanne gelegt, so rückt er kühnlich mit seinem Antrage heraus, die jungen Leute wechseln „die Treue", nämlich ein paar alter Schaumünzen, und der Handel ist geschlossen. Einige Tage vor der Hochzeit macht der Gastbitter mit ellenlangem Spruche seine Runde, oft meilenweit, da hier, wie bei den Schotten, das verwandte Blut bis in das entfernteste Glied, und bis zum Ärmsten hinab, geachtet wird. Nächst diesem dürfen vor allem die sogenannten Nachbarn nicht übergangen werden, drei oder vier Familien nämlich, die vielleicht eine halbe Meile entfernt wohnen, aber in uralten Gemeinde- registern, aus den Zeiten einer noch viel sparsamern Bevölkerung, als „Nachbarn" verzeichnet stehen und, gleich Prinzen vom Geblüte vor den nähern Seitenverbindungen, so auch ihre Rechte und Verpflichtungen vor den vielleicht erst seit ein paarhundert Jahren Näherwohnenden wahren. Am Tage vor der Hochzeit findet der „Gabenabend" statt, eine freund- liche Sitte, um den jungen Anfängern über die schwerste Zeit wegzu- helfen. Abends, wenn es schon stark dämmert, tritt eine Magd nach der andern ins Haus, setzt mit den Worten: „Gruß von unserer Frau", einen mit weißem Tuche verdeckten Korb ans den Tisch und entfernt sich sofort; dieser enthält die Gabe: Eier, Butter, Geflügel, Schinken — je nach den Kräften eines jeden — und die Geschenke fallen oft, wenn das Brautpaar unbemittelt ist, so reichlich aus, daß dieses um den nächsten Wintervorrat nicht sorgen darf. Eine liebenswürdige, das Volk bezeich- nende Höflichkeit des Herzens verbietet die Überbringung der Gabe durch ein Familienmitglied; wer keine Magd hat, schickt ein fremdes Kind. Am Hochzeitsmorgen, etwa um acht, besteigt die Braut den mit einer weißen goldflunkernden Fahne geschmückten Wagen, der ihre Ausstattung enthält; sie sitzt allein zwischen ihren Schätzen, im besten Staate, aber ohne besonderes Abzeichen, und weint aufs jämmerlichste; auch die auf dem folgenden Wagen gruppierten Brautjungfern und Nachbarinnen
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