1884 -
Freiburg im Breisgau
: Herder
- Autor: Führer, Anton, Hense, Joseph
- Sammlung: Lesebuecher Kaiserreich
- Schulbuchtyp (WdK): Lesebuch
- Schultypen (WdK): Höhere Lehranstalten
- Schultypen Allgemein (WdK): Höhere Lehranstalten
- Inhalt Raum/Thema: Deutsche Literatur
- Inhalt: Zeit: Mittelalter
- Geschlecht (WdK): Jungen
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Dritte Periode, von 1150—1300.
Bedenkend seiner Mutter Lehre
Von Licht und Finster, es verkehre
Ein Gott mit ihm; d'rum sprach das
Kind
Sein voriges Gebet geschwind:
„Ach hils mir, Hülfereicher Gott,
Der Hülfe giebt in aller Not."
Der Fürst darauf: „Ich bin nicht
Gott,
Doch leiste gern ich sein Gebot.
Wärst du der Wahrheit auf der
Spur,
Du säh'st in uns vier Ritter nur."
Da fragt der Knabe fürbaß:
„Du nennst da Ritter; was ist
das?
Sag' an, hast du nicht Gotteskraft,
Wer kann denn geben Ritterschaft?"
„Die teilt der König Artus aus;
Ja, kommt Ihr einst zu dessen Haus,
So mögt Ihr Rittersnamen nehmen,
Des Ihr Euch nimmer habt zu schämen.
Denn seh' ich Euer Wesen au
Und Euren Leib so wohlgethan,
Acht' ich Euch wohl von Ritters Art."
Der Knabe fragte weiter dreist,
Weshalb er laut belachet ward:
„Ei, Ritter, Gott — sei wer du seist —
Du hast so viele Ringe
Um deinen Leib gebunden,
Um Arm und Bein gewunden;
Wozu sind diese Dinge?"
Und d'rauf betastend mit der Hand
Die Panzerringe Band für Band,
Rief er im staunenden Beschauen:
„Ich sah doch meiner Mutter Frauen
Ringel auch an Schnüren tragen,
Die nicht so ineinander ragen!"
Karnahkarnanz: „Richt will ich hehlen,
Was dir gar sehr noch scheint zu
fehlen."
Er zeigt' ihm d'rum und zog sein
Schwert: 1
„Nun sieh! Wer von mir Streit
begehrt,
Den wehr' ich ab mit solchen Schlägen;
Jedoch zum Schutz vor seinem Degen,
Gegen Schuß und Hieb und Stich
Muß ich also bewaffnen mich."
Da rief der gute Knabe laut:
„Weh, trügen die Hirsche solche Haut,
Sie verwundete nicht mein Gabilotst
Das manchem doch schon gab den Tod."
Die Herren ließen Gott befohlen
Das Kind und zogen des Weges fort,
Um die Verräter einzuholen.
Der Knabe staunend sah die Reiter
Enteilen, folgte mit den Augen
Ihnen nach, und nun nicht weiter
Schien Jagd und Wild ihm mehr zur
Lust zu taugen.
Hin lief sogleich er voller Freude
Zu seiner Mutter Herzeleide,
Ausführlich ihr, was von den Helden
Er sah und hörte, zu vermelden.
Doch hatt' er kaum das Wort be-
gonnen,
Warf sie der Schreck in Ohnmacht hin;
Und als die Kraft sie rückgewonnen,
Rief aus mit Grau'n die Königin:
„O wehe deiner Lippen Laute,
Weh mir nun, wehe! wer vertraute,
Mein Sohn, dir das?" Doch un-
befangen
Entgegnet er: „Lieb' Mutter mein,
Als ich heut' früh zum Wald gegangen,
Sah ich vier Männer, und ein Schein
Ging aus von ihnen hell und licht,
So licht wie Gottes Angesicht.
Die sagten mir von Ritterschaft,
Und wie des Königs Artus Kraft
Mich kann mit Ritters Ehren
Zum Schildesamt bekehren."
Da hub sich neuer Jammerruf,
Wie einst des Gatten Tod ihn schuf.
Dennoch erbat der Knabe wert
1 Wurfspieß.