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1. Dichtung des Mittelalters - S. 207

1884 - Freiburg im Breisgau : Herder
§ 25. Die Zeit des Verfalles der Poesie. 207 die Gebrechen des kirchlichen und politischen Lebens stand, meist eine satirische Färbung an, so das „Narrenschiss" (1494) von Sebastian Braut, Stadtsyndikns in Straßburg, in welchem der Dichter in einer Dar- stellung von 113 Narrensorten die sittliche Entartung seiner Zeit geißelt. Auch die dramatische Poesie sehen wir in ihren Anfängen auftreten. Im Anschlüsse an eine weitere Ausgestaltung der Liturgie wird in den Passions- und Osterspielen das Leiden und die Auferstehung Christi dargestellt, in den Weihnachtsspielen die Geburt und die Kindheit Jesu. Bald fügten die Fastnachtsfreuden mit ihren scherzhaften Mummereien lustige Fastnachtsspiele hinzu mit meist derben Spässen. (Bekannte Dichter solcher Spiele sind die beiden Nürnberger Hans Rosenblüt und der Barbier Hans Folz.) Während die Poesie mehr und mehr hinwelkt und erstarrt, treibt die Prosa mehrfache Blüten. Der nüchterne Verstand der Bürger, der die poetische Einbildungskraft zurücktreten ließ, ihr auf das Reale gerichteter Sinn mußte naturgemäß ebenso sehr die Prosa fördern als er der Poesie nachteilig wurde. So entstanden Stadt- und Landchroniken, sowie Auflösungen der Heldensagen in Prosa, welche durch die junge Buchdrucker- kunst (1440) bald Gemeingut aller Lesenden wurden. Namentlich waren aber für die Entwicklung der Prosa außer den vielfach predigenden Franzis- kanern, wie Berthold von Negensburg (ch 1272), thätig die Mystiker, die, fern von der spekulativen, nur das Wissen und die Gelehrsamkeit berück- sichtigenden Richtung der lateinisch schreibendenscholastikerfalbertns Magnus (ch 1280 zu Köln) und Thomas von Aquin (ch 1274)), die Ausbildung des inneren Menschen ins Auge faßten, die durch Erwärmung und Läuterung des Herzens zu einer vollkommenen geistigen Liebeseinignng mit Gott gelangen wollten. Hervorragend unter ihnen sind der Dominikaner Meister Eckhart, den man den Vater der deutschen Mystik genannt hat, und sein Schüler Johannes Ta ul er, gestorben 1361 zu Straßburg als Domprediger, berühmt durch sein Hauptwerk: „Die Nachfolge des armen Lebens Christi." Gegen Ende des Zeitraumes zeichnet sich aus durch seine Predigten der berühmte Johann Geiler von Kaisersberg, Dom- prediger zu Straßbnrg (ch 1510), welcher in seinem tief religiösen Gefühl sich in der Form volkstümlicher Satire gegen die Verkommenheit des Klerus und der Laienwelt richtete. Auch hielt er über das „Narrenschiff" seines Freundes Braut eine Reihe vorzüglicher Predigten, die von seinem Zuhörer I. Pauli gleich vielen anderen seiner Vortrüge aufgeschrieben und der Nachwelt überliefert sind.
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